
Das Bezirksam Steglitz-Zehlendorf, die Polizei und vier Pflegeeinrichtungen kooperieren zum Wohle Demenzerkrankter. Foto: Gogol
Mit einem Schutzräume-Konzept soll Demenzkranken in Steglitz-Zehlendorf in Zukunft besser geholfen werden. Demente Personen, die in der Öffentlichkeit verwirrt und orientierunglos aufgefunden werden, werden nun von der Polizei in eine von vier Pflegeeinrichtungen des Bezirks gebracht, wo sie bis zu 48 Stunden kostenlos betreut werden.
Bisher wurden die dementen Senioren in der Polizeidienststelle betreut. Dort wurden sie in Gewahrsam genommen, man versuchte herauszufinden, wer sie sind, woher sie kommen.Und dann mussten sie dort oder im Krankenhaus ausharren, bis ein Angehöriger oder die Pflegeeinrichtung, aus der sie verschwunden sind, gefunden war. Eine Prozedur, die weder für die kranken Menschen noch für die Polizisten leicht war. „Wir sind für so etwas nicht geeignet, nicht vom Personal, nicht von der Ausstattung und nicht von der Hygiene her“, erklärt Andreas Pahl, Leiter der Polizeidirektion vier. Denn wie etwa sollen die diensthabenden Polizisten mit einer inkontinenten älteren Frau umgehen? Und dass sich ein verwirrter, älterer Mensch zwischen Betrunkenen und Kriminellen, die ebenfalls in den Polizeidienststellen festgehalten werden, nicht wohl fühlt, kann sich jeder denken. Deshalb sei die Kooperation, die zwischen der Polizei, dem Bezirksamt und den vier Pflegeeinrichtungen geschlossen wurden, ein große Erleichterung, so Pahl.
Die Identifizierung werde zwar weiter von der Polizei verfolgt, die Pflege aber werde abgegeben, entweder an das Evangeline-Booth-Haus der Heilsarmee an der Goethestraße in Zehlendorf, das HPW Sanatorium West an der Dessauerstraße sowie die Vitanas Seniorencentren Kastanienhof und Schäferberg. Dort gebe es großen Sachverstand im Umgang mit demenziell Erkrankten, sie würden rund um die Uhr professionell versorgt und betreut, lobte Bezirksstadtrat Norbert Schmidt (CDU) die vier Einrichtungen. Und auch für die Angehörigen sei dieses Schutzräume-Konzept eine Erleichterung, ist sich Schmidt sicher, denn die wüssten nun, wohin sie sich wenden können, wenn ein Angehöriger vermisst wird, und sie wüssten ihn in guten Händen.
Seit 1. August wird das neue System umgesetzt und kam bereits zweimal zum Einsatz. Beide Senioren wurden von der Polizei ins Evangeline-Booth-Haus gebracht. Nach vier beziehungsweise sechs Stunden konnten sie wieder ihren Pflegeeinrichtungen übergeben werden, berichtet Grit Liszkas von der Heilsarmee. Zeit, die die beiden älteren Menschen sonst auf der Wache oder im Krankenhaus verbracht hätten.
Für die dementen Menschen bedeute dies alles eine große Aufregung und noch mehr Verwirrung. Sie seien unsicher, wüssten nicht, wo sie sind und warum sie von Polizisten begleitet werden. Die Pflegekräfte aber wüssten, wie man mit den Patienten umgehen muss, seien eine Art Ruhepool, erläutert Liszkas.
An dem Prozedere für jemanden, der eine verwirrte, demente Person antrifft, ändert sich nichts. In diesem Fall sollte auch weiterhin die Polizei unter der 110 gerufen werden. Die kümmert sich dann um alles Weitere.
Die Schutzräume sind ein Baustein des Bezirks auf dem Weg zur „demenzfreundlichen Kommune“. Die Zahl von an Demenz erkrankten Einwohnern Bezirk steigt mit der zunehmenden Lebenserwartung, erläutert Schmidt. Darauf wolle der Bezirk sich einstellen. „Wir wollen vorbereitet sein, auf das was kommt.“
Wie viele Demenzkranke von der Polizei in Steglitz-Zehlendorf im vergangenen Jahr in Obhut genommen wurden, kann Pahl nicht sagen, da bisher alle hilfebedürftigen Personen gemeinsam erfasst wurden – dazu zählen etwa auch alkoholisierte Jugendliche. Von nun an würde dies aber statistisch erfasst.
Steglitz-Zehlendorf ist nach Charlottenburg-Wilmersdorf der zweite Bezirk, der ein solches Schutzräume-Konzept eingeführt hat. Im Nachbarbezirk wurden laut Pahl im vergangenen Jahr fünf Fälle auf diese Weise betreut.
Nach dem die Schutzräume geschaffen wurden, soll es in einem nächsten Schritt darum gehen, auch die Öffentlichkeit für demente Senioren zu sensibilisieren.
(go)