Diskussion am 15. Oktober 2025 zur Zukunft eines besonderen Gebäudes: Quo vadis Mäusebunker? | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Spezialimmobilie, schlafender Riese, betongewordener Albtraum – ein sehr besonderes Gebäude soll einer neuen Nutzung zugeführt werden. Geht es nach seinen Fürsprechern, muss für das ehemalige Tierversuchslabor in der Krahmerstraße schnell ein Konzept her.

Der als Mäusebunker bekannt und berüchtigt gewordene Bau hat prominente Fürsprecher, die sich seit einigen Jahren in einer Art Anwaltschaft für den Erhalt und eine tragfähige Nutzung des Gebäudes einsetzen. Nun haben die Fans des ikonischen Hauses im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung noch einmal die Dringlichkeit ihres Anliegens unterstrichen. Bis zur nächsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, also innerhalb der nächsten 11 Monate, müsse sich die Politik zur Einleitung eines Konzeptverfahrens bekennen, sagte Landeskonservator Christoph Rauhut. Ansonsten würde der seit 2019 bestehende Leerstand noch viele weitere Jahre andauern und somit Verfall und Verwahrlosung Vorschub leisten.

Das Kulturamt Steglitz-Zehlendorf hatte zum Gespräch gebeten: Quo vadis Mäusebunker? lautete die Fragestellung, die am Mittwoch im Institut für Hygiene in der Krahmerstraße verhandelt wurde. Diese Frage wird schon seit der Entstehung des Bauwerks immer wieder diskutiert, und bis heute wird immer wieder wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit über den Abriss nachgedacht.

Das erste Mal wurde der Abbruch bereits während der Bauzeit erwogen. Der Mäusebunker war der BER der Westberliner 1970er Jahre. Ursprünglich sollte der Bau 60 Millionen D-Mark kosten, am Ende waren es 134 Millionen Mark, für damalige Verhältnisse astronomisch viel Geld. Die ersten Konzepte legten die Architekten Magdalena und Gerd Hänska und 1966 vor, der Bauantrag wurde im Mai 1971 genehmigt. Weil die Baukosten zunehmend aus dem Ruder liefen, wurden die Arbeiten ab Januar 1976 eingestellt und erst nach Vorliegen eines positiven Gutachtens zwei Jahre später wieder aufgenommen. Erst 1982 wurden die zentralen Tierlaboratorien eingeweiht.

Damals kam es zu Protesten. Ein Brandanschlag führte zur ersten Freiheitsstrafe in Deutschland für Straftaten, die aus Tierschutzmotiven begangen wurden. Jahre zuvor hatten Mitarbeiter des Planungsbüros ihre Kündigung eingereicht, weil sie keinen Ort entwerfen wollten, in dem Tiere unter Laborbedingungen ein kümmerliches Dasein fristen sollten. Auch spätere Nutzer haderten offenbar mit dem Gebäude und ihrem Tun, wie Ludwig Heimbach in seinem in diesem Jahr erschienen Buch „Hygieneinstitut und Mäusebunker – Eine Berliner Versuchsanordnung“ dokumentiert: In einem der Labore fand man an der Wand einen Zettel mit einer schreibmaschinengeschriebenen Botschaft, einem Zitat von Franz von Assisi: „Gott wünscht, daß wir den Tieren beistehen sollen, allemal, wenn es nottut. Ein jedes Wesen in Bedrängnis hat das gleiche Recht auf Schutz.“

Die zentralen Tierlaboratorien waren eine Tierversuchsmaschine. Geplant für 200.000 Tiere war das Gebäude deutlich überdimensioniert, am Ende gab es einen Jahresbedarf von bis zu 88.000 Lebewesen von der Maus bis zum Rind.

Die Hänskas planten aufwendige Technikgeschosse für komplexe und sehr spezifische Bedürfnisse. Belüftungen und Filteranlagen für keimfrei zu haltende Labore, Lagerflächen für keimfreies Tierfutter, Schleusen zwischen den Laboren und Gebäudeteilen, optimale künstliche Belichtung, eine vollständige Klimatisierung. Ein Ziel sollte sein, im Fall einer Seuche die betroffenen Bereiche abtrennen zu können, um nicht gleich den gesamten Tierbestand zu gefährden.

Die Architekten durchdachten bis ins Detail einen lebensfeindlichen Albtraum, und sie hatten keine Scheu, diese Gewalttätigkeit zu verstecken. Im Ergebnis steht heute am Teltowkanal ein pyramidales Bauwerk im Stil des Brutalismus; es ist nahezu fensterlos, und aus runden Öffnungen ragen blaue Lüftungsrohre. Das Haus ist abweisend und hässlich. Es sieht aus, als hätten wenig wohlmeinende Außerirdische ihr Raumschiff in Lichterfelde entsorgt.

Die Charité zog 2019 mit ihren Tierlaboratorien in einen Neubau in Buch um. Der Mäusebunker sollte abgerissen werden, eine Genehmigung lag bereits vor. Seit 2020 engagieren sich Architekten und Architekturhistoriker für den Erhalt des Gebäudes. Spätestens mit dem Denkmalstatus für das gegenüberliegende Institut für Hygiene und Mikrobiologie, ebenfalls ein brutalistischer Betonbau, stand auch die Schutzwürdigkeit des Mäusebunkers zur Diskussion. Den Denkmalstatus erhielt das Bauwerk im Mai 2023.

Und nun? Quo vadis, Mäusebunker? Im Hörsaal des Hygieneinstituts schwärmt Ludwig Heimbach von der Einzigartigkeit des Hauses. Eine Nachnutzung sei nicht einfach, aber machbar, ist der Architekt überzeugt. Und er zeigt gleichzeitig die Grenzen auf, die Grund dafür sind, dass einzelne Ideen und Akteure sich bisher nicht durchgesetzt haben.

So sei das Gebäude in sich vollkommen vernetzt. Die Klimaanlage beispielsweise läuft überall – oder gar nicht. Eine teilweise Nutzung, wie sie der Architekt Arno Brandlhuber und der Galerist Johann König beabsichtigten, als sie 2020 ein Kaufangebot für die Immobilie vorlegten, ist also kaum zu realisieren.

Auch eine Boulderhalle wird im Mäusebunker wohl nicht Realität werden, denn dafür müsste das Gebäude entkernt werden. Dagegen steht, sagt Mäusebunker-Kenner Heimbach, dass nicht nur die Hülle unter Denkmalschutz steht, sondern auch innenliegende Teile des Hauses.

Wie könnte eine Nachnutzung also gelingen? Einige Möglichkeiten wurden im Rahmen eines Modellverfahrens diskutiert, welches das Landesdenkmalamt 2022/23 durchführte. Im Ergebnis soll das Haus von vielen unterschiedlichen Akteuren genutzt werden. Die Ideen reichten von einer Serverfarm, einer Pilzfarm, einer Raupenzucht, einem Samenarchiv, einem Kino und diversen Forschungslaboren. Das planerische Konzept der notfalls totalen Abschottung der Bereiche voneinander macht autonome Nutzungen möglich.

Vor einer weiteren Inbetriebnahme stünden umfangreiche Arbeiten, darunter auch eine kostspielige Asbestsanierung. Ob das Haus wirtschaftlich betrieben werden kann, ist bisher nicht geprüft worden. Christoph Rauhut wünscht sich eine Vergabe im Erbbaurecht mit einem gemeinwohlorientierten Charakter. Aber: „Die Vielfalt des Gebäudes ist in der Politik nicht vermittelbar“, so der Chef des Landesdenkmalamtes. Der Diskurs zur Bauwende, also neue Nutzung statt Abriss und Neubau, sei schwer in die Praxis zu übersetzen.

Das Gebäude ist derzeit noch im Besitz der Charité. Nun müsste es, so Rauhut, wieder an die Wissenschaftsverwaltung zurückfallen. Der Senat wolle dies jedoch nicht. Wer für den Mäusebunker die Verantwortung übernimmt, sei unklar. „Die Mentalität der Pflege des Bestands ist nicht ausreichend in der öffentlichen Verwaltung vorhanden“, erklärt der Denkmalschützer frustriert. Dabei habe es mit dem Modellverfahren gute Vorarbeit gegeben.

Rückendeckung erhält Rauhut von Christian-Wolfgang Otto, Professor für öffentliches Bau- und Planungsrecht an der TU Berlin. Der Mäusebunker sei bereits vor seiner Unterschutzstellung ein Denkmal gewesen. Und nun, mit dem offiziellen Denkmalstatus, gebe es eine Verpflichtung zum Erhalt, die kein Ermessen kenne. „Der Erhalt ist keine politische Entscheidung, sondern eine rechtliche.“

Sollte sich die Politik tatsächlich bald bewegen, steht vor einer Sanierung und Inbetriebnahme das Planungsrecht. Derzeit ist für das Gelände der ehemaligen Tierversuchsanstalt eine universitäre Nutzung festgesetzt. Ein neuer Bebauungsplan muss also her, den die BVV und das Bezirksamt beschließen müssten. Das kann dauern.

Daniela von Treuenfels

 

 

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