Großer Andrang beim Versteigerungstermin: Das Kraftwerk Steglitz mit einem Verkehrwert von Null Euro lockte viele Interessenten an. | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Mit einem Zuschlag von spektakulären 141 Millionen Euro endete am Montag die Zwangsversteigerung des ehemaligen Kraftwerks Steglitz in der Birkbuschstraße. Wer sind die neuen Besitzer? Unsere Recherchen führen ins Berliner Clanmilieu.

Montag Vormittag, 10.30 Uhr. Während im überfüllten Gerichtssaal die durch das Berliner Finanzamt betriebene Zwangsversteigerung des Grundstückes Birkbuschstraße 40/42 beginnen soll, stehen draußen rund 50 Menschen. Sie wollen mitbieten, können aber nicht verstehen, was im Saal vor sich geht. Teilweise geht es chaotisch zu, nur spärlich dringen Informationen nach draußen.

Um Viertel vor 11 beginnt die Versteigerung, auch erste Gebote dringen bis vor die Tür des Saals. Bei 400.000 Euro verlassen die ersten Interessenten das Geschehen. Welche Summen in der nächsten Stunde durch den Raum geworfen werden, können sich die Schnäppchenjäger wohl nicht einmal im Traum vorstellen. Wie berichtet, hatte ein Gutachter im Auftrag des Gerichts den Verkehrwert auf symbolische Null Euro festgesetzt.

Beim Gebot von 7 Millionen Euro ist der Saal zwar immer noch übervoll, aber es gibt gerade genügend Platz für die zahlreichen Zuschauer, die Zeuge eines irren Schauspiels werden.

Um 11.35 werden 8 Millionen Euro geboten. Fünf Bieter sind noch im Rennen. Eine Viertelstunde später sind es 30 Millionen. Es beginnt ein Battle zwischen zwei Parteien, von der Rechtspflegerin hatten sie die Nummern 5 und 7 bekommen. Es geht Schlag auf Schlag, um 11. 56 Uhr stehen 60 Millionen Euro im Raum, Bieter Nr. 7 erhöht ungeduldig auf 100 Millionen Euro. Ungläubiges Raunen im Saal. Nummer 5 telefoniert.

101, 110, 111 – 120 Millionen.
An dieser Stelle meldet sich die Rechtspflegerin zu Wort: „Ich darf jeden, der das für eine Witzveranstaltung hält, bitten, den Saal zu verlassen.“

Nr. 5 und Nr. 7 bleiben, wie alle anderen auch.
121, 130, 131, 140, 141 Millionen.
Erstens, zweitens, drittens – es gibt kein weiteres Gebot. Der Herr mit der Nummer 5 erhält den Zuschlag.

Der graumelierte Mittsechziger vertritt die SF Grambin Beteiligung UG mit Firmensitz in Grambin, einem kleinen Dorf am Stettiner Haff in der Nähe von Ueckermünde. Die Unternehmensadresse Neue Straße 27 zeigt auf Google Street View (Foto von Juli 2022) eine sanierungsbedürftige Immobilie auf einem verwilderten Grundstück.

Die Gesellschaft wurde im Oktober 2023 als Kahya Beteiligung UG ins Handelsregister eingetragen. Geschäftsführer war zunächst der Unternehmer Metin Kahya, Chef der MK City Frucht Handels GmbH in Berlin. Der Obst- und Gemüsehändler hat laut dem Wirtschaftsportal Northdata geschätzte jährliche Umsätze von 5,6 bis 8,7 Millionen Euro zwischen 2018 und 2022. Doch leider scheint das zum Leben nicht zu reichen. Im Jahr 2021 erhält der Großhändler rund 380.000 Euro Coronahilfen, das ist doppelt so viel wie die Gewinne aller fünf Geschäftsjahre zusammen.

Im April diesen Jahres gibt es einen Wechsel der Geschäftsführung in der Grambin Beteiligungsgesellschaft. Steffen Fräbel übernimmt.

Fräbel ist spätestens seit einem Beitrag von Spiegel-TV vom November 2022 bekannt als „williger Helfer“ der Großfamilie Abou-Chaker. Das Rechercheteam berichtet über seine Verbindungen zum Clan und vor allem über kriminelle Machenschaften im Zusammenhang mit einem mutmaßlich getürkten Immobiliendeal. Fräbel soll dabei geholfen haben, von einem Hamburger Ehepaar ein Berliner Mietshaus zu ergaunern. Seine Idee soll es gewesen sein, sich mit falschen Identitäten eine Eintragung ins Grundbuch zu erschleichen. Das jedenfalls, so der Bericht von Spiegel TV, hätten zwei Abou-Chaker-Brüder im Prozess ausgesagt. Das Geständnis habe sich strafmildernd ausgewirkt, wie eine Gerichtssprecherin erklärt.

Fräbel wurde deswegen nie verurteilt. Der Prozess vor dem Berliner Landgericht platzte, weil der Angeklagte für prozessunfähig erklärt wurde. Bluthochdruck, Herzinfarkt, halbseitige Lähmung – der Patient hatte akute Beschwerden. Der Verdacht der Simulation steht im Raum, wie Spiegel TV an mehreren Stellen deutlich macht. Dennoch ersparte sich Fräbel durch seine Auftritte im Rollstuhl und ärztliche Gutachten einen Gefängnisaufenthalt.

Die Spiegel-Reporter widmen sich in ihrem Video einem weiteren Geschäftsfeld Fräbels: dem „Beiseiteschaffen“ von Vermögen des Chaker-Clans über die Eintragung von Grundschulden. In den Jahren 2018 und 2019 seien so insgesamt über 7 Immobilien verteilt rund 22 Millionen Euro an Grundschuldscheinen zusammengekommen. Der ermittelnde Beamte vom LKA sagt dazu im Video: „Nach unserer Erfahrung ist es so, dass diese Grundschuldscheine eigentlich nur noch im kriminellen Milieu Verwendung finden, um sein Vermögen zu verstecken.“

Zurück nach Steglitz, wo demnächst jede Menge Grundschulden ins Grundbuch eingetragen werden.

Geschäftsführer Steffen Fräbel ist, wenn nicht genesen, so doch offenbar fit genug, um sich auf seine neue Rolle als Immobilienmanager vorzubereiten. Der Führungswechsel in der Grambin Beteiligungsgesellschaft fällt in etwa zusammen mit dem Bekanntwerden der Versteigerung des Kraftwerksgeländes in Lankwitz.

Am 23. Mai reaktiviert „Steffen060471“ sein drei Jahre altes Benutzerkonto bei Wikipedia, um eine Seite anzulegen. Die Welt soll erfahren, wer „Steffen Fräbel – Immobilieninvestor“ ist: „Steffen Fräbel (*6. April 1971) ist ein deutscher Immobilieninvestor und Unternehmer. Er besitzt Immobilien im mehrstelligen Millionenbereich und ist in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft aktiv. Steffen Fräbel hat sich als Immobilieninvestor etabliert und verfügt über ein umfangreiches Portfolio von Immobilien“. Der gesamte Text ist in der Diskussion nicht mehr verfügbar. Der Inhalt der Seite wurde auch nach einem zweiten Versuch innerhalb kürzester Zeit gelöscht.

Es gibt Geschäftsmodelle, bei denen man keine Antwort findet auf die Frage, welcher gesellschaftliche Mehrwehrt hier eigentlich generiert werden soll. Das Denkmal Kraftwerk Steglitz hätte Investoren verdient, die Verantwortung übernehmen. Nach den Aktivitäten der mutmaßlich betrügerischen bisherigen Besitzer, scheint eine Wende zum Guten nicht in Sicht.

Daniela von Treuenfels