Die vom Otto Rudolf Salvisberg entworfene Siedlung am Botanischen Garten ist Denkmal des Monats Februar. Fotos: Denkmalschutzbehörde

 

Ein neuer Monat – ein neues Denkmal: Im Februar wählte die Denkmalschutzbehörde Steglitz-Zehlendorf die Siedlung von Otto Rudolf Salvisberg am Botanischen Garten zum Denkmal des Monats.

Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der von Johann Anton Wilhelm von Carstenn gegründeten Villenkolonie Groß-Lichterfelde nach rund 30 Jahren fast jedes Grundstück bebaut war, gab es nördlich der Bahngleise unweit des neuen Botanischen Gartens noch karge, weite Flächen. Die nach Blumen benannten Straßen waren zwar bereits angelegt, die Bautätigkeit aber ließ aufgrund des Krieges und der nachfolgenden Inflation auf sich warten. Zu dieser Zeit fehlten in Berlin rund eine Million Wohnungen. Die dringend notwendige Errichtung dieser war erst nach der Währungsreform 1924 in großem Maßstab möglich.

Das Gelände zwischen Bahngleisen und Botanischem Garten gehörte dem Bauunternehmer Adolf Sommerfeld, der selbst ganz in der Nähe in einer von Walter Gropius entworfenen Villa wohnte. Sommerfeld konzentrierte sich mit seinem Unternehmen auf die Erschließung des Berliner Südwestens. Die entsprechenden Konzepte entwickelte er mit namhaften Architekten des Neuen Bauens. Das Größte darunter war die Waldsiedlung Zehlendorf Onkel-Toms-Hütte.

Am Botanischen Garten nahm Sommerfeld die Hilfe von Otto Rudolf Salvisberg in Anspruch. Der Schweizer Architekt hatte zuvor an den Gartenstädten Piesteritz in Wittenberg sowie Staaken in Spandau mitgewirkt. Er gehörte zu den  Protagonisten des Neuen Bauens, vertrat aber nie eine radikale, sondern immer gemäßigte, auf Solidität bedachte Haltung. Herausragend sind seine späteren Bauten für die Waldsiedlung Zehlendorf und für die Weiße Stadt, die mit weiteren fünf Berliner Großsiedlungen mittlerweile zum Weltkulturerbe zählt.

Für die Bebauung des Sommerfeldschen Areals plante Salvisberg 1924 eine Reihenhauszeile entlang derHortensienstraße mit zirka 30 Einfamilienhäusern, sowie drei Wohnblöcke mit Mietwohnungen zwischen Hortensien- und Geranienstraße. Von den geplanten Wohnblöcken wurden nur zwei realisiert, als erstes der sogenannte Freimieteblock entlang der Geranien- und Nelkenstraße, anschließend der sogenannte Postblock zwischen Nelkenstraße und Hortensienplatz. Der dritte Block, westlich des Hortensienplatzes, kam nicht zur Ausführung.

Viergeschosser in Blockrandbebauung beherbergen großzügig geschnittene 2,5 bis 4,5 Zimmer-Wohnungen für den zahlungskräftigen Mittelstand. Ursprünglich waren auch Ladeneinheiten im Erdgeschoß geplant. Salvisberg sorgte für abwechslungsreiche Fassaden mit markanten Ecklösungen und tiefliegenden expressionistisch gestalteten Hauseingängen. Auffallend sind die mit zunehmender Höhe weiter auskragenden Erker, die den ausladenden Dachüberstand zu stützen scheinen.

Besondere Aufmerksamkeit wandte Salvisberg der Fassade zum Hortensienplatz zu. Diese ist völlig anders gestaltet. Durch spitzwinklige Erker, eckturmartige Vorbauten mit hölzernen Eckpfosten und vor allem durch die ungewöhnliche Bänderung mit farbig angelegten Putzstreifen wird die lange Abwicklung gegliedert und erhält zum Platz hin einen kräftigen Akzent. Die expressive Farbigkeit setzt sich in den Treppenhäusern fort. Bemerkenswert sind diese im Postblock mit vielfarbigen Majolikafliesen, die jedem Treppenhaus ein individuelles Farbkonzept verleihen.

Der Freimieteblock erhielt nach dem Krieg einen neuen Putz, wichtige Details wie die abgesetzten Fensterfaschen entfielen. Im letzten Jahr konnte bei einer restauratorisch begleiteten Fassadensanierung die ursprüngliche Farbigkeit zurück gewonnen werden. Stilistisch ist die Anlage dem gemäßigten Expressionismus zuzuordnen. Aber die Grundformen der Häuser sowie bündig sitzende Fenster lassen bereits die moderate Sachlichkeit des Neuen Bauens erkennen.

Viele dieser Stilmittel sind auch bei der etwa zeitgleich entstanden Reihenhauszeile zu finden. Auch hier gelang es Salvisberg, die lange Zeile nicht gleichförmig wirken zu lassen. Er fasste immer vier Häuser zu einer Gruppe unter einem Dach zusammen, jedes Haus war farblich anders gefasst als das Nachbarhaus, die Höhen und die Detailgestaltung der Fassaden variierten. In der Mitte der Zeile gab es ein Atelierhaus, das mit einem Turm die Zeile bekrönte. Leider sind das Atelierhaus und die angrenzenden Nachbarhäuser nach einem Kriegsschaden stark verändert und nicht in der ursprünglichen Höhe wieder aufgebaut worden.

Vor allem beeindruckt der Abwechslungsreichtum im Detail. So gibt es besonders bei Fenstern und Türen verschiedenste Gestaltungsvarianten. Besonders gestaltet ist das vor kurzem denkmalgerecht sanierte Haus Nummer 61. Wer hier genau hinschaut, kann sogar das Logo des Salvisbergschen Architekturbüros entdecken.

Wurden die Reihenhäuser grundsätzlich wenig verändert, so ist das damalige Farbkonzept Salvisbergs leider nur noch sehr fragmentarisch erlebbar. Wie auf der anderen Straßenseite bei den Wohnblöcken herrschten hier warme Rot- und Ockertöne in verschiedenen Varianten vor. Erfreulicher Weise wurden in den vergangenen Jahren einige Häuser wieder in den ursprünglichen Farbtönen gestrichen. Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Eigentümer anschließen, so dass eines Tages die ganze Zeile wieder in ihrem ursprünglichen Gestaltung auflebt.

 

 

Sabine Schmiedeke