Kraftwerk Steglitz

Foto: Daniela von Treuenfels

 

Zwei Monate nach der Zwangsversteigerung nehmen die neuen Eigentümer ihre Immobilie in Besitz – mit einer robusten Vorgehensweise auf einer rechtswidrigen Grundlage.

Mehr als acht Wochen hat sich die SF Grambin Beteiligung UG Zeit gelassen, bevor sie erstmals mit den Mietern des Geländes in der Birkbuschstraße in Kontakt getreten ist. Nun ist es plötzlich ganz eilig. An einige Mieter schreibt Geschäftsführer Steffen Fräbel am 26. August, dass ab sofort die Miete an seine Gesellschaft, statt wie bisher an die Insolvenzverwaltung der Vorbesitzer zu zahlen sei. Und zwar dallidalli, einen Tag gibt er den Mietern Frist zum Ausgleich des „Mietrückstandes“ seit der Zwangsversteigerung. Geld, das seitdem an die Insolvenzverwaltung der Vorbesitzer gezahlt wurde, sei von dort zurückzufordern.

Einen Tag später, am 27. August, meldet sich die Hamburger Kanzlei BBL Brockdorf bei den Mietern. Hier ist der Jurist Justus von Buchwaldt mit dem Insolvenzverfahren der AS German Property Group beschäftigt. Die Ampere Projektentwicklungsgesellschaft, bis Mitte Juni Eigentümerin des Kraftwerks Steglitz, gehört zu dieser Gruppe, einem mutmaßlich betrügerischen Konstrukt (die SRN berichteten). Ein BBL-Anwalt beruhigt in einer Mail die Mieter: Da sie erst jetzt Kenntnis vom Eigentumsübergang erhalten hätten, müsste die Miete seit Juni nicht erneut an die neue Eigentümerin gezahlt werden. Aber: Die Grambin Beteiligung UG „ist durch die Zuschlagserteilung neue Grundstückseigentümerin geworden. Wir dürfen Sie daher bitten, die Mieten zukünftig, d. h. ab September 2024, an die neue Eigentümerin zu zahlen.“

Offenbar versuchen die Hamburger Anwälte in bester Absicht, der wilden Fristsetzung und den haltlosen Behauptungen von Grambin-Geschäftsführer Fräbel etwas entgegenzusetzen. Dennoch ist das Vorgehen der Kanzlei, „eine von Deutschlands Top-Sozietäten für Reorganisation, Sanierung und Insolvenz“ (Eigenwerbung), nach Auffassung des Berliner Mietervereins rechtswidrig.

Zwar werde der Ersteher in der Zwangsversteigerung mit Zuschlag Eigentümer, also auch Vermieter, erklärt Experte Frank Maciejewski. „Solange der Ersteher den Zuschlagsbeschluss seinen Mietern nicht übersandt hat, sind diese allerdings ihm gegenüber zu nichts verpflichtet.“

Steffen Fräbel hat den Mietern dieses wichtige Dokument bislang nicht vorgelegt. Die Kanzlei BBL Brockdorff haben wir gefragt, ob dort ein Zuschlagsbeschluss vorliegt und falls ja, warum er den Mietern vorenthalten wurde. Außer einem dürren Statement – man halte sich „bei diesem Thema medial etwas zurück“ – kam keine Antwort aus der Hansestadt.

Für die verunsicherten Mieter auf dem Kraftwerksgelände hat der Berliner Mieterverein auch andere wichtige Hinweise. Für Kündigungen gelten bestimmte Fristen, und auch dazu muss zwingend der Zuschlagsbeschluss vorgelegt werden. Eine ausgesprochene Kündigung ist gegenstandslos, wenn der Zuschlagsbeschluss später aufgehoben wird.

Ob die Grambin Beteiligungs GmbH ihr Gebot von 141 Millionen Euro am Ende bezahlt, wird mit Spannung erwartet. Die Mieter haben die Chance, beim sogenannten Verteilungstermin Mäuschen zu spielen. „Sie sollten sich bei Gericht als Beteiligte anmelden, das geht auch jetzt noch“, erklärt Frank Maciejewski. „Dann werden sie auch zum Termin der Verteilung geladen“.

Derweil kriegen am Teltowkanal einige das Muffensausen. „Ich zahle“, sagt ein Mieter, der anonym bleiben möchte. Er fürchtet um seinen Besitz, wenn er sich widersetzt. Den neuen Eigentümern traut er viel zu, von der Zerstörung seiner Habseligkeiten bis zum „warmen Abriss“.

Ein wenig von ihrer Energie haben die Neuen auch schon zum Besten gegeben, wie ein anderer Nutzer des Geländes berichtet, auch er möchte seinen Namen nicht öffentlich preisgeben. Eine angebliche „Schlosserfirma“ habe mit dem Aufbohren von Schlössern gedroht, sollten die Mieter nicht ihre Kontaktdaten übermitteln. Im „Chef“ der Truppe will der Zeuge ein Mitglied einer bekannten Berliner Clan-Familie erkannt haben. „Sehr aggressiv und einschüchternd“ sei der aufgetreten. „Allein die Tatsache, dass dieser Mensch vor Ort war und sich so verhielt, hat viele Mieter verunsichert und ratlos gemacht was gerade passiert“, so der Mieter.

Die Verzweiflung ist groß, die Mieter fühlen sich hilflos ausgeliefert. Man erhofft sich Unterstützung „vom Bezirk und aus der Politik“. Ein Schreiben ging bereits an die Grüne Abgeordnete Tonka Wojahn, die schon im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage zum Thema aktiv wurde. Eine Antwort gab es nach Angaben des Mieters bisher nicht.

Daniela von Treuenfels

 

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