Landgut Eule: Die ehemalige, unter Denkmalschutz stehende Wildhüter-Unterkunft Kaiser Wilhelms I. verfällt zusehends. Der andauernde Rechtsstreit um das „rechtmäßige“ Eigentum bereitet der Mieterin unzumutbare Umstände.
Das Landgut Eule am Kremnitzufer 51 wurde ursprünglich im Jahre 1725 als Unterbringung für die Wildhüter Kaiser Wilhelms I. erbaut, die Besitz- und Bestandsverhältnisse des Gutes und des umliegenden Landschaftsareals änderten sich im Laufe seiner Jahre sehr oft. Seit fünf Jahren ist die Klärung des derzeitigen Eigentumsverhältnisses Gegenstand eines Rechtsstreits, während das unter Denkmalschutz stehende Anwesen seinem Verfall offensichtlich preisgegeben bleibt.
Der Streit vor Gericht geht zu Lasten von Vera General, die seit 1961 in der „Eule“ wohnt. Damals hat ihr Vater als Angestellter der Zentralwerkstatt der Technischen Universität das Landgut zur Miete erhalten. Bis heute haben Vera Generals Vater, sie selbst und mittlerweile ihre Nachkommen Investitionen in die Immobilie getätigt, Instandhaltungsmaßnahmen gesetzt und Restaurierungsarbeiten geleistet.
Doch das ist alles vergebens, wenn das Dach undicht ist, es herein regnet, und die Wände unter starkem Schimmelbefall stehen. „Die Küche ist eine Tropfsteinhöhle“, beschreibt Vera General die unwürdigen Zustände. Außerdem senken sich die Böden an manchen Stellen der Liegenschaft, die sich auf Torfgebiet befindet, stark ab. Beheizt wird das gesamte Haus von einer zentralen Mehrraumheizung, die durch das Verbrennen von Holz über die miteinander verbundenen Öfen für mehr oder weniger Wärme sorgt. General hat das Brennholz bis dato aus dem Wald geholt und selbst gehackt. Sie hat den Großteil ihres Lebens in der historischen Umgebung inmitten des europäischen Vogelschutzgebietes verbracht. Nun sieht sich die Mutter dreier Kinder und dreier Enkelkinder gezwungen, sich auf die Suche nach einer neuen Unterkunft zu begeben und das Leben im Landgut Eule hinter sich zu lassen. „Ich kann jetzt nicht mehr und bin erschöpft, das raubt mir alle Kräfte“, beklagt die Mieterin den „Zustand“ auf historischem Boden, auf dessen umliegenden Gebieten die Rüstungsindustrie, Metallforschung und ein Hochspannungsinstitut errichtet gewesen sind.
Am 1. Juni 1994 wurde die Verwaltungszuständigkeit für das Juwel am Teltowkanal an die GSW – damals noch landeseigene Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnbaugesellschaft Berlin – übertragen. In einem Schreiben des Zehlendorfer Grundstückamtes an General ist zu lesen: „Wir sind sicher, daß die Übergabe unseres Wohnungsbestandes an die GSW zu einer Verbesserung der Wohnverhältnisse führen wird“.
Im September 2011 leitete das Gesundheitsamt des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf einen Brief an den grundbücherlichen Eigentümer weiter, der das Grundstück 2009 von der GSW gekauft hat, den Kauf aber rückgängig machen will. Darin werden Wasserflecken an der Küchendecke im Erdgeschoss, Wasserschäden im Arbeitszimmer, dem ehemaligen Kinderzimmer beklagt. Im Wohnzimmer tropfe das Wasser von der Decke auf den Fußboden, es befänden sich Risse im Mauerwerk, der Putz bröckle ab, … „Die Bewohnerin ist mit Hilfe von Schüsseln, Eimern etc. ständig dabei, das Regenwasser aufzufangen bzw. die Fußböden aufzuwischen. … Bei Schimmelpilzbefall handelt es sich nicht nur um eine optische Beeinträchtigung des Wohnbereiches mit einer vermutlichen Schädigung der Bausubstanz, sondern es kann vielmehr auch eine gesundheitliche Gefährdung vorliegen, insbesondere bei Personen, die an Allergien leiden. …“ steht in dem Brief zu lesen. Eine fachgerechte Sanierungsmaßnahme zur Beseitigung des Schimmelpilzbefalls wird empfohlen.
Bis dato ist nichts davon umgesetzt worden, die Lebensqualität von Vera General ist weiterhin stark beeinträchtigt. „Es ist richtig, dass dringend Handlungsbedarf besteht, weil das Gut zusehends verfällt“, weiß Norbert Kopp (CDU), Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, um die Situation der Mieterin als auch des Immobilienbestandes Bescheid. Gespräche über eine Umsiedelung von Vera General seien seitens des Bezirksamtes bereits geführt worden.
„Es ist schlimm zu sehen, vor allem vor diesem sozialen Hintergrund, wie ein derart hochkarätiges Juwel dem Verfall preisgegeben wird“, befindet auch Dr. Evelyn Kersten, SPD Steglitz-Zehlendorf, die sich seit Jahren mit den Zuständen in der „Eule“ beschäftigt. Aber „dass da nichts weitergeht, ist nicht meine Schuld. Denn das Haus gehört mir nicht. Die GSW hat es mir nach dem Kauf nach dreimaliger Aufforderung nicht ordnungsgemäß übergeben“, sagt der derzeitige Eigentümer. „Selbst einziehen“, sei der Plan gewesen. Doch habe er erst nach Unterzeichnung des Kaufvertrages erfahren, dass das Landgut unter Denkmalschutz steht.
Ob das Landgut nun rechtmäßig verkauft und übergeben worden ist, darüber wird weiterhin gestritten. „In erster Instanz haben wir gewonnen. Dagegen hat die GSW Berufung eingelegt. Dass die Sache endlich zu einem Ende kommt, wäre das Allerbeste“, so der Eigentümer. Seitens der GSW Immobilien AG (2004 wurde die GSW an die Finanzinvestoren Whitehall und Cerberus durch das Land Berlin verkauft, seit 2010 ist sie GSW Immobilien AG) ist in dieser Angelegenheit zu vernehmen: „Das Verfahren zu diesem Rechtsstreit läuft noch, wenn auch nicht ganz so aktiv. Es ist uns leider nicht möglich, zu noch laufenden Verfahren Stellung zu nehmen“.
Geschichtliche Eckdaten zum Landgut Eule:
(bereitgestellt von Dr. Achim Förster):
1898 wurde die „Eule“ an die Aktiengesellschaft „Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken, Centralstelle für wissenschaftlich-technische Untersuchungen GmbH (CWTU)“, einem Zusammenschluss mehrerer Munitionsfabriken, verkauft. Der Teltowkanal wird nach der Planung im Jahre 1906 fertiggestellt, das Gelände war auch über die Machnower Straße im Süden gut erschlossen. Haupt- und Verwaltungsgebäude, ein technisches Labor, ein Labor für chemische Analysen, eine Maschinenhalle, Lokomotiv-Schuppen, ein Schmelzofen, Walzwerk, Sprengstoffmagazin, Wohnungen für Personal und parkähnliche Anlagen mit Bepflanzungen werden errichtet.
Das Kriegsende 1918 ist auch das Ende der CWTU als Rüstungsbetrieb. Das gesamte Areal rund um das Gut und die „Eule“ werden von dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung übernommen.
1933 baut die Technische Universität die Gebäude zum „Hochspannungsinstitut Neubabelsberg“. Spannungen von 1200 kV werden in den Laboratorien und Freiluft-Versuchsplätzen erzeugt, Funkentladungen werden mit dem „Hochleistungs-Kathodenstrahloszillographen“ verfolgt und Blitzableitungen in das Erdreich untersucht.
1945 werden die Wohngebäude, zwei Laborgebäude und das Sommerhaus West Berlin zugesprochen, das Haupt- und alle anderen Gebäude Potsdam. Bis auf den Turm werden alle Gebäude gesprengt. Das Potsdamer Gebiet wird zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.
1967 wird die „Eule“ dem Senat Wissenschaft und Kunst zugeordnet, die Zuständigkeit obliegt der Technischen Universität.
(MiBa)