Energetisch saniert werden sollte das marode Rathaus Zehlendorf – passiert ist nichts, nur Kosten in Höhe von mehr als 1,6 Millionen Euro sind entstanden. Doch wer trägt die Verantwortung für dieses „Desaster“? Am Mittwochabend schoben sich die Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) – CDU und Grüne auf der einen, die SPD auf der anderen Seite – gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Angestoßen durch eine Große Anfrage der SPD mit dem Titel „Schwarz-Grünes Desaster – Sarazenu eine Millionenpleite?“.
Sarazenu – das steht für das ehrgeizige Projekt „Sanierung des Rathauses Zehlendorf auf Nullheizenergieniveau“. Den Herausforderungen des Klimawandels wollte sich der Bezirk mit diesem „Leuchtturmprojekt“ stellen. Durch dessen mehr als 40 Akten umfassende Geschichte, die im April 2008 mit einem Zukunftsgespräch begann, hatte sich Bezirksstadtrat Michael Karnetzki (SPD) durchgearbeitet. Er erläuterte, wie sich die geschätzten Kosten von anfangs 12 Millionen auf bis zu mehr als 30 Millionen steigerten. Schon 2009 habe es erste Zweifel an der Wirtschaftlichkeit gegeben, so Karnetzki. Demnach hätten sich die die Kosten von 12 Millionen erst nach 50 Jahren amortisiert, rechne man den durch die Baumaßnahmen entstandenen CO²-Ausstoß noch hinzu, sogar erst nach 100 Jahren. Trotzdem hätten sich alle Fraktionen, mit Ausnahme der FDP, damals für dieses Projekt ausgesprochen. Immerhin waren Fördergelder in Höhe von elf Millionen Euro so gut wie sicher.
Ein weiterer Fehler, der damals passiert sei, sei, dass man sich nicht an das übliche Regelwerk gehalten habe, Kostenermittlungen und Planungen parallel liefen. Das sei dem Zeitdruck geschuldet gewesen, aber auch, weil das Bezirksamt Sarazenu nicht als investive Bauprojekt sondern als bauliche Unterhaltung betrachtet habe, für die dieses Regelwerk nicht gelte. Die Kostenschätzungen wurden im Laufe der Monate mehrmals überarbeitet und überprüft. Von 12 war der Kostenrahmen allein für die energetischen Maßnahmen auf 16 bis 18 Millionen angewachsen – hinzu gekommen wären weitere Millionen für die dringend notwendigen Arbeiten am Haus – so dass das Projekt im 2011 gestoppt wurde.
Ein finanzielles Nachspiel hingegen endete erst vor wenigen Tagen. Das Bezirksamt einigte sich mit dem Architekten hinsichtlich dessen Honorarklage. Es wurde ein Vergleich über rund 650.000 Euro geschlossen – 600.000 Euro weniger als die Forderung – zu denen die Anwaltskosten hinzukommen.
Rund eine Million Euro seien angefallen, weil erst einmal ermittelt werden musste, was am Rathaus eigentlich zu tun sei, so der Fraktionsvorsitzende des CDU, Torsten Hippe. Dazu habe man externes Wissen einkaufen müssen, weil die Bauabteilung nicht über das nötige Know How verfügt hätte – ob aus Personalmangel oder weil die Mitarbeiter die nötige Qualifikation fehle, darüber wolle er sich kein Urteil erlauben, so Hippe. Brandschutz, Fassaden, Toilette – das hätte die Kosten auf 30 bis 35 Millionen Euro getrieben, nicht die energetische Sanierung, so der Fraktionsvorsitzende. Der wollte die Schuld vor allem beim Hochbauamt und dem damaligen zuständigen Bezirksstadtrat Uwe Stäglin von der SPD sehen, die das eigene Haus und dessen Sanierungsbedarf nicht kannten. Und es sei auch Stäglin gewesen, der das Architekturbüro KSP beauftragt habe, ohne einen Kostenrahmen zu definieren, was zu den 650.000 Euro geführt habe, die nun gezahlt werden müssten. „Da liegt der Skandal“, so Hippe.
Es sei die Bauabteilung gewesen, die „fundamentale Fehler“ begangen habe, so auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Uwe Köhne. Die habe zu lange gewartet, um sich ein Bild vom Zustand des Hauses zu machen und zu ermitteln, welche Maßnahmen notwendig seien. Nur so seien die „unerwarteten Kosten“ zustande gekommen, so Köhne. Und so sei Sarazenu wohl eher ein SPD-Desaster, spielte er den Ball wieder zurück.
Dies wie nun seinerseits Norbert Buchta, der Fraktionsvorsitzende der SPD, zurück. Seine Partei habe zwar ebenfalls dem Projekt zugestimmt, aber es als einzige Fraktion kritisch begleitet, nachgefragt, nach Alternativen gesucht, die weniger teuer und weniger innovativ sein. Zudem wies Karnetzki noch einmal darauf hin, dass bei der Sanierung nicht die Bauabteilung federführend gewesen sei, sondern das Umweltamt unter der Leitung der damaligen Grünen-Bezirksstadträtin Anke Otto. Im Gegenteil, Bedenken der Bauabteilung seien nicht gerne gehört worden, nicht einmal in der Steuerungsgruppe für das Projekt sei der eigentlich zuständige Hochbauservice vertreten gewesen.
Sarazenu sei „als Leuchtturm gestartet und als Bauruine gelandet“, so Buchta.
Hitzig wurde die Debatte geführt, mit Zwischenrufen die Redner unterbrochen. Doch Erkenntnisse brachte die Diskussion nicht. Vielleicht wird dies der Prüfbericht des Bundesrechnungshofes bringen. Ein erster liegt vor, das Bezirksamt bezieht derzeit dazu Stellung. Öffentlich diskutiert wird dieser aber nicht.
(go)