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Nach einem spektakulär hohen Gebot im Zwangsversteigerungsverfahren kommt nun die nicht weniger Aufsehen erregende Wende: Trotz ausgebliebener Zahlung des Gebots heißt die Eigentümerin des ehemaligen Kraftwerks Steglitz nun doch SF Grambin Beteiligung UG.

„Die Ersteherin ist mit Zuschlag Eigentümerin geworden, und zwar unabhängig davon, ob das Meistgebot belegt wurde oder nicht. Der Eigentumserwerb ist auch nicht mehr rückgängig zu machen“, bestätigt eine Sprecherin der Berliner Gerichte. Zuvor hatte es seitens der Behörde nur die Information gegeben, das Meistgebot sei zum Verteilungstermin am vergangenen Montag nicht gezahlt worden – was bei Journalisten, auch bei den Stadtrand-Nachrichten, zum Schluss geführt hatte, das Verfahren müsse nun wiederholt werden. Das ist falsch, unser Bericht dazu ist mittlerweile offline.

Aufklärung in der Sache kommt häppchenweise von den neuen Eigentümern. Es habe sogenannte „Befriedigungserklärungen“ gegeben, teilt Grambin-Geschäftsführer Steffen Fräbel zunächst mit. Diese Erklärungen ersetzen die Hinterlegung des Versteigerungserlöses bei Gericht. Die Gläubiger erklären darin ihre Ansprüche als befriedigt. Das Finanzamt bekommt also, so Fräbel, 235.000 Euro und die Insolvenzverwaltung der Voreigentümer eine Summe in unbekannter Höhe.

Möglich wird diese Art des Versteigerungsabschlusses durch eine Regelung im Zwangsversteigerungsgesetz: § 118 ZVG sieht die sogenannte „Forderungsübertragung“ vor. Wird das Meistgebot nicht belegt, der Ersteher und Gläubigern sich aber dennoch einig sind, ist der Deal trotzdem perfekt. Das Zwangsversteigerungsverfahren ist damit beendet. Das Meistgebot ist nicht mehr bindend, der Preis für die zuvor ersteigerte Immobilie ist frei verhandelbar. „Dabei wird nicht geprüft, ob und welche Zahlungen der Gläubiger vom Ersteher erhalten hat“, ergänzt die Gerichtssprecherin auf Nachfrage.

Diese gesetzliche Regelung wird in der Praxis mit einem nicht gesetzlich vorgesehenen „Ausbietungsvertrag“ ausgestaltet, und zwar vor dem Termin der Versteigerung. In dieser Vereinbarung halten ein Gläubiger, beispielsweise eine Bank, und ein Kaufinteressent fest, zu welcher Mindestsumme eine Immobilie den Besitzer wechseln soll. Der Vorteil für die Bank ist, dass sie in der Versteigerung garantiert einen für sie annehmbaren Preis erzielt.

Wirklich interessant für Käufer ist dieses Modell vor allem dann, wenn ein Schutz vor „Überbietung“ vereinbart wurde. Der Überbietungsschutz ist rechtlich umstritten, weil er zu Lasten Dritter geht, in diesem Fall der Mitbieter. Zudem werden Scheingebote abgegeben, die von einzelnen Fachjuristen als rechtsmissbräuchliche „Scherzerklärung“ eingeordnet werden.

Im Gerichtssaal passiert dann folgendes: Wird der vorher vereinbarte Preis überboten, kann der Käufer ein noch höheres Gebot abgeben, ohne den Preis wirklich bezahlen zu müssen. Entscheidend ist, am Ende als Meistbietender aus dem Saal zu gehen. Ohne Zuschlag keine Forderungsübertragung und damit keine Immobilie.

So erklärt sich der kuriose Verlauf der Zwangsversteigerung am 17. Juni vor dem Amtsgericht Schöneberg. Ein mutmaßlich mit den Verabredungen vertrauter und bisher nur dem Gericht bekannter zweiter Bieter – ein übergangener Konkurrent? ein unzufriedener Gläubiger? – hatte mit irrwitzigen Geboten den Preis immer weiter in die Höhe getrieben. Er überspannte den Bogen so weit, dass die zuständige Rechtspflegerin empfahl, wer die Verhandlung als „Witzveranstaltung“ betrachte, möge den Saal verlassen.

Steffen Fräbel deutet auf Nachfrage an, dass es eine Ausbietungsvereinbarung mit den insgesamt fünf Grundschuldgläubigern gibt. Die Grundschulden sollten Gelder von Investoren absichern, denen Renditen aus einer modernisierten Denkmalimmobilie versprochen worden waren. (mehr zu dem mutmaßlich betrügerischen Pleite-Unternehmen hier)

Etwas zurückhaltender sind die neuen Eigentümer bei der Frage, welche Pläne es für das Gelände gibt und wie hoch der Kaufpreis ist. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, sagt Geschäftsführer Fräbel – was seinen Nebelkerzen-Modus erklärt:

Man sei „bestrebt, die unter Denkmalschutz stehende Bebauung zu erhalten und zusätzlich noch Wohnraum zu schaffen, welcher dringend benötigt wird“, erklärt Fräbel, man sei „in Abstimmung mit sämtlichen Behörden.“ Was so positiv klingt, kann Patrick Steinhoff, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, nicht bestätigen. Ja, es habe vor einigen Wochen von einem einzelnen Herrn eine eher unverbindliche Anfrage gegeben, seither ruhe still der See. Zudem seien im Gewerbegebiet keine Wohnungen zulässig. Damit konfrontiert, rudert Steffen Fräbel ein Stück zurück: Konkret gehe es um Wohnen auf Zeit, Hotel, studentisches Wohnen, „also alles was unter gewerbliches Wohnen fällt“. Klarheit wird es wohl erst geben, wenn es „ein seriöses Vorgehen innerhalb einer Bauvoranfrage“ gibt, wie es Patrick Steinhoff formuliert.

Wenn nicht 141 Millionen, welcher Kaufpreis wurde denn vereinbart? Steffen Fräbel schickt den Stadtrand-Nachrichten einen Grundbuchauszug mit Verweis auf die eingetragenen Grundschulden in Höhe von insgesamt rund 100 Millionen Euro.

Der Grundstückspreis ist wahrscheinlich sehr viel niedriger: Zum einen ist dieses Geld von Investoren bezahlt worden, damit aus einem ramponierten denkmalgeschützten Objekt eine prächtige Renditeimmobilie wird. Da aber an der Birkbuschstraße niemals ein Handwerker auch nur einen Hammer in die Hand genommen hat und 100 Millionen Euro statt in Sanierungsarbeiten in unbekannte Kanäle geflossen sind, ist das Grundstück nach wie vor praktisch wertlos.

Ein Blick auf die bisherigen Verkäufe der Insolvenzverwaltung der Vorbesitzer gibt eine Idee davon, was ein realistischer Preis ist. Im Mai teilte die Kanzlei BBL Brockdorff mit, „25 der insgesamt rund 50 Immobilien der GPG“ verkauft zu haben. Es handelt sich ausnahmslos um Denkmalobjekte, die „ein Gesamtverkaufsvolumen von über 100 Mio. Euro“ erzielten. Das sind durchschnittlich rund 4 Millionen Euro pro Immobilie, darunter beispielsweise das als verwahrlost bezeichnete Schloss Arensburg in Niedersachsen mit 85 Zimmern auf einem 14 Hektar großen naturgeschützten Park.

Ohne in Mutmaßungen zu verfallen, kann man davon ausgehen, dass das ehemalige Kraftwerk Steglitz zu einem guten Preis den Besitzer wechselt. Das erhöht die Chancen auf eine Zukunft der denkmalgeschützten Gebäude und eine Wiederbelebung des Areals.

Daniela von Treuenfels

 

 

In einer ersten Version haben wir fälschlicherweise die Kanzlei BBL Brockdorff als Vertragspartner für die Ausbietungsvereinbarung genannt. Richtig ist: Diese Absprache besteht nach Angaben von Geschäftsführer Steffen Fräbel mit den fünf Grundschuldgläubigern.

Alle Beiträge zum Kraftwerk Steglitz

gibt es hier zum Nachlesen.