In Kostüme der 1920er und '30er Jahre gekleidete junge Menschen ließen die Zeit wiederauferstehen, in der die Ladenstraße errichtet wurde. Fotos: Gogol

„Die alte Lady Ladenstraße sollten wir hochleben lassen“, forderte Eigentümerund Vermieter Christian Ansorge alle Besucher der Ladenstraße am U-Bahnhof Onkel Toms Hütte am Sonnabend auf. Denn die „alte Lady“ hat schon ordentliche 80 Jahre auf dem Buckel. Und das wurde gefeiert.

„Einzigartig“ ist für Ansorge die Ladenstraße. Sie war die erste Passage in Berlin nach dem Ersten Weltkrieg, zu einer Zeit als es noch keine Shoppingcenter gab. Ein „H-Kennzeichen“ müsste die Ladenstraße bekommen, denn sie sei ein echter Oldtimer, mit dem er auch ideelle Werte verbinde, so Ansorge. „Sie ist ein wenig verstaubt, hat ein paar kleine Kratzer, aber sie hat Charme“. Und das wollten Eigentümer, Ladenbesitzer und der Verein Papageiensiedlung den Geburtstagsgästen beweisen. Unter dem Motto „Zurück in die Zukunft“ lud die Ladenstraße ein, in die Zeit der 1920er und ’30er Jahre abzutauchen. Mit Musik aus jener Zeit unterhielten zum Beispiel der Chor der Papageiensiedlung und „Die Kavaliere“ die Besucher, Kinder und Erwachsene konnten sich in Kostüme jener Zeit kleiden, ein Fahrer in einem Oldtimer stand für Rundfahrten bereit. Die Kleider stammten aus der Kleiderkammer der Ernst-Moritz-Arndt-Gemeinde, erzählte Tanya Berndsen, und aus den Kellern und Dachböden vieler Anwohner, die die Idee des Vereins Papageiensiedlung unterstützen wollten.

In den 20er und 30er Jahren habe man avantgardistisch gedacht, so Ute Scheub vom Verein Papageiensiedlung. Und die Ladenstraße ist ein „avantgardistisches Juwel“, findet Scheub. Eines mit Zukunft. Und so wagte sie einen Blick nach vorne: Wenn man 2052 den 120 Geburtstag der Ladenstraße feiere, dann sei das Öl knapp, dann brauche es wieder gute Verkehrskonzepte. Und das habe diese Ladenstraße, die man mit Bahn, Fahrrad und zu Fuß erreichen könne. Das sei dann auch wieder avantgardistisch.

Um die Ladenstraße fit für diese Zukunft zu machen, gibt es das Projekt „Zukunftskiez Onkel Toms Hütte“. Viele Ideen habe man da zusammengetragen, etwa eine Elektrolieferrad oder dass man Ladenflächen gemeinsam an Existenzgründer vermietet, die sich allein die Miete nicht leisten könnten, berichtete Heide Wohlers. Das Projekt, das vom Bezirksamt mit Mitteln der Europäischen Union gefördert wird, sei im Onkel Tom Kiez ansässig, weil es dort so viel Dynamik gebe, erklärte sie. Und weil der Kiez ein zukunftsträchtiger Ort sei.

Doch am Sonnabend ging es nicht nur darum, nach vorne zu schauen, sondern vor allem auch zurück. Und so gab es an den Geschäften Bilder aus der Geschichte der Passage. Christa Heinrich ist in dem Kiez 1941 geboren und verbindet viele Erinnerungen mit der Ladenstraße. Etwa die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Amerikaner die Passage okkupierten. Bis sie ihr PX an der Clayallee bekamen, sei die Ladenpassage abgesperrt gewesen, erinnerte sich Heinrich. Die ursprünglichen Händler mussten ausziehen und errichteten entlang der Argentinischen Allee Holzhütten, in denen sie nun ihre Waren verkauften, oder zogen in die Garagen der Anwohner. Maximal zwei Jahre habe dies angedauert.

(go)

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Wer mitfeiern will, hat am Sonnabend, 8. August, noch bis 16 Uhr die Gelegenheit dazu.