Hoch über der Havel thront der König der Tiere auf seinem Kalksteinsockel. Der Löwe richtet stolz triumphierend den Blick über den Wannsee. Neben den Villengärten von Max Liebermann und Ernst Marlier handelt es sich bei der Aussichtsterrasse mit der mächtigen Tierplastik um das wahrlich herausragende Gartendenkmal am Großen Wannsee. Den Berlinern ist ihr Flensburger Löwe seit vielen Generationen einen Ausflug wert. Man bestaunt das Monument und genießt den herrlichen Blick auf die Haveldünen hinüber zum Strandbad.

Flensburger Löwe? Der Löwe ist der Zinkabguss eines Bronzeoriginals des dänischen Bildhauers Hermann Blissen. Das Original wurde 1862 auf dem Alten Friedhof in Flensburg, damals zu Dänemark gehörend, aufgestellt in Erinnerung an den siegreichen Feldzug bei Idstedt (südlich von Flensburg) von 1850 gegen die aufständischen Schleswig-Holsteiner. Löwen sind klassische Themen der Heraldik und sowohl im dänischen als auch im Wappen Schleswig-Holsteins und Flensburgs enthalten.

Im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864, in dem Preußen und Österreich den Schleswig-Holsteinern beistanden, bezwang die deutsche Seite unter Führung des preußischen Prinzen Friedrich Karl die dänischen Truppen bei den Düppeler Schanzen vor der Insel Alsen. Alsen und Flensburg wurden, wie fast das gesamte Herzogtum Schleswig preußisch. Zum Dank für seinen Sieg über das Königreich Dänemark und als Ehrenbezeichnung durfte Prinz Friedrich Karl 1865 fortan seinen privaten Landbesitz als Rittergut führen und nannte ihn Düppel.

General-Feldmarschall von Wrangel verbrachte von Flensburg aus die Siegestrophäe 1867 nach Berlin und ließ sie dort zunächst in der Waffenkammer, im Hof des Zeughauses aufstellen. Aufgrund von Bautätigkeiten geriet der Löwe 1878 auf das weitläufige Gelände der Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde. 1945 wurde das Tier nach Dänemark restitituiert und befand sich bis 2011 im Kopenhagener Zeughaus, bevor es seinen ursprünglichen Standort, auf dem Alten Friedhof in Flensburg zurückfand.

So reiselustig war die Kopie des Löwen vom Heckeshorn nicht. Der Bankier Wilhelm Conrad gründete 1863 hier seine berühmte Villenkolonie und nannte diese in nationaler Begeisterung und patriotischer Beflügelung 1872 nach der „eingepreußten“ Insel Alsen. Tatsächlich hat die reizvolle Havellandschaft durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit der heute wieder dänischen Insel.

Am Rande der Kolonie, an höchster Stelle, ließ Conrad einen großräumigen Bergpark, die sogenannte „Schweiz“ anlegen. Auf der Suche nach einem dekorativen Motiv für den Point-de-Vue stieß Conrad auf den Flensburger Löwen, die Kriegsbeute, im Hof des Berliner Zeughauses.

Als historisch beredtes Monument gab er eine Kopie dessen in Auftrag und ließ sie 1874 auf der Kuppe seines Bergparks aufstellen. Das Monument war natürlich auch ein Zeichen der Ehrbezeugung für Prinz Friedrich Karl, dessen Portraitmedaillon ursprünglich den Sockel zierte.

Nach dem Tod Conrads 1899 parzellierte man den Bergpark in Baugrundstücke, und der Löwe geriet auf einer Restfläche ins Abseits. Er wurde vernachlässigt und beschädigt. Die Grünanlage verwilderte.

1923 übernahm Berlin das Denkmal. Angesichts zahlreicher Beschwerden von Seiten der Dänischen Botschaft über den Zustand des Löwen, wurde er 1938 samt Sockel an seinen heutigen Standort am Heckeshorn versetzt. Die „Straße zum Löwen“ führt seitdem nicht mehr zum Löwen.

2005 musste die Skulptur aus statischen und konservatorischen Gründen restauriert werden und man stellte begleitend die umgebende Aussichtsterrasse und die zum Denkmal führende Lindenallee wieder her. Der Flensburger Löwe erinnert heute an die Geschichte der Kolonie Alsen und ist ein zeittypisches Werk der Monumentalbildhauerei des Spätklassizismus.

Uwe Schmohl

Denkmalschutzbehörde