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„Willkommen in Steglitz-Zehlendorf – dem eigentlich wahren Kreuzberg!“ twittert die grüne Bezirksverordnete Nina Stahr. Was sie zu dieser Ansicht veranlasst, ist der Antrag der Piratenfraktion, in einem Pilotprojekt einen Coffeeshop im Bezirk einzurichten. In dem sollen Cannabis und Cannabisprodukte kontrolliert abgegeben werden können. Dazu wird das Bezirksamt aufgefordert, geeignete Orte für eine Abgabestelle zu benennen „und alle vom Bezirk aus möglichen Maßnahmen zu treffen, die zur Vorbereitung und Einrichtung solcher Abgabestellen notwendig/möglich sind.“ Gleichzeitig soll sich das Bezirksamt mit dem Senat in Verbindung setzten, um die rechtlichen Voraussetzungen für einen Coffeeshop zu schaffen.

Die kontrollierten Abgabe von Cannabis „soll den Schwarzmarkt austrocknen und zugleich einen besseren Jugend- und Verbraucherschutz ermöglichen. Verbraucher wären über Art und THC-Gehalt der Produkte informiert und hätten die Gewissheit, dass keinerlei gefährliche Streck- und Zusatzstoffe enthalten sind, was regelmäßig in den illegal gehandelten Substanzen der Fall ist“, begründen die Piraten ihren Antrag.

Den findet Norbert Buchta, Fraktionsvorsitzender der SPD, sogar sympathisch. Auch wenn ein solch moderner Antrag in einem konservativen Bezirk wie Steglitz-Zehlendorf vielleicht etwas „deplatziert“ sei. Aber das mache die Sache erst interessant. „Wir werden dem Antrag zustimmen“, sagt Buchta auf SN-Nachfrage. Er findet es sinnvoll, weiche Drogen in einem „gemäßigten Raum“ abzugeben. Auch dem Argument, mit einem Coffeeshop der illegalen Kriminalität in diesem Bereich den Boden zu entziehen, stimmt er zu. Die Suchtpolitik sei bisher nicht sehr erfolgreich, ein Verbot für Cannabis, das einfach zu haben sei, wirkungslos. Ob suchtpolitische Ziele durch die kontrollierte Abgabe von Cannabis besser erreicht werden können, müsste in einem Modellversuch geklärt werden, findet Buchta. Aufgrund der schwarz-grünen Mehrheit in der BVV rechnet er allerdings mit einer Ablehnung des „kreuzberg-grünen“ Antrages.

„Verharmlosung des Drogenkonsums“

Eine „Verharmlosung des Drogenkonsums“ und „Legalisierung des strafbaren Drogenhandels“ sieht die CDU-Fraktion in dem Piraten-Antrag und lehnt ihn ab. „Dies ist genau die falsche Botschaft! Neben den negativen gesundheitlichen Folgen des Drogenkonsums mit der Gefahr irreversibler Hirn- und Nervenschädigungen werden durch einen Coffeeshop ja eben nicht die weiteren negativen Begleiterscheinungen wie öffentlicher Rausch und Beschaffungskriminalität beseitigt. Eine staatlich organisierte Unterstützung für die gewalttätigen Drogenkartelle in Kolumbien oder Afghanistan halte ich zudem für ausgeschlossen“, antwortet David Eckel auf SN-Nachfrage für seine Fraktion. Man setze bei der Bekämpfung des Drogenmissbrauchs eher auf Prävention und Repression. „Orte, die im Verdacht stehen, für den Drogenumschlag geeignet zu sein, müssen regelmäßig von der Polizei kontrolliert und der Drogenhandel wirksam unterbunden werden“, so Eckel, der auf das Beispiel Liegewiese am Schlachtensee verweist, wo Polizei und Ordnungsamt gemeinsam kontrollieren. Zudem müsse an Schulen mehr über Drogenkonsum, darunter auch Alkohol und Zigaretten, aufgeklärt werden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe fürchtet zudem rund um einen Coffeeshop Zulauf der entsprechenden Klientel. „Haben wir Kinder oder Heranwachsende im Haus, haben diese kurze Wege und werden an die Normalität des Cannabis-Konsums behutsam herangeführt“, fürchtet er. Seine Fraktion stehe für eine „Null-Toleranz-Strategie“, so Eckel, der von des Landesregierung fordert, Haschischbesitz grundsätzlich unter Strafe zu stellen.

Ebenfalls gegen den Antrag stimmen wird die Grünen-Fraktion. „Es ist für den Bezirk und für die Zeit falsch“, findet deren Vorsitzender Uwe Köhne. Steglitz-Zehlendorf sei nicht gerade ein Drogenumschlagplatz, sagt er. Zwar gebe es in den Sommermonaten auch Probleme am Schlachtensee, wie die Piraten in ihrem Antrag ausführen. Aber das könne man nicht mit dem Görlitzer Park vergleichen. In Kreuzberg sei das Drogenproblem viel größer, da könnte man über einen Coffeeshop nachdenken. Für Steglitz-Zehlendorf befürchtet Köhne hingegen, dass eine solche Abgabestelle den Drogenkonsum eher fördern würde. „Es würde hier mehr verkauft werden als im Augenblick.“ Und das würde einem der beiden Ziele der Grünen, weniger Drogenkonsum, entgegenstehen. Zweites Ziel der Grünen ist die Entkriminalisierung. Doch das könne man im Bezirk nicht lösen, das gehe nur auf Landes- und Bundesebene.

Drei Ausschüsse – Haushalt, Gesundheit und Gleichstellung sowie Jugendhilfe – werden sich in den kommenden Wochen nun mit dem Antrag auseinandersetzen. Die Diskussionen versprechen interessant zu werden.

(go)