Bei einer Tour kehrten die Veteranen an die Orte zurück, die ihre Zeit in Berlin prägten. Foto: Mauerkinder

Für viele West-Berliner gehörten die amerikanischen G.I.s zum Stadtbild. Sie waren Freunde und Beschützer, weniger Besatzer. 1994 zogen sie ab. „Wir haben uns gefragt, was ist aus den Leuten geworden, die hier stationiert waren und dann aus dem Stadtbild verschwunden sind? Wer waren die Männer, die dafür gesorgt haben, dass wir frei aufwachsen konnten“, erzählt Patrick Meyer. Diesen Fragen ging der Journalist gemeinsam mit der Kommunikationswissenschaftlerin Annette Schneider nach. Aus ihrer Suche nach Antworten entstand der Film „Mauerkinder“.

Meyer und Schneider sind selbst Mauerkinder, aufgewachsen in Lichterfelde Ost gehörten der Wall und die amerikanischen G.I.s wie selbstverständlich zum Leben dazu. „Als Kind habe ich das nicht hinterfragt“, erzählt Meyer, der beim Mauerfall zehn Jahre alt war und andere Dinge im Kopf hatte als das weltpolitische Geschehen. Das holt er jetzt nach und erkundet zusammen mit seiner einstigen Mitschülerin jene Besatzerjahre und was von ihnen übrig blieb – im Stadtbild und in den Köpfen und Herzen der Menschen.

Unterstützung gab es dafür von der Checkpoint Charlie-Stiftung, die regelmäßig Veteranen einladen. Eine dieser Besuchergruppe begleiteten die beiden Filmemacher und stießen dabei auf Geschichten, die sie bewegten.

Die meisten G.I.s waren zwischen 17 und 19 Jahre alt, als sie nach Berlin kamen. „Berlin war eine der ersten Städte in ihrem Lebenslauf nach der Schule“, sagt Meyer. „Sie waren noch Kinder und viele wussten gar nicht, was hier auf sie zukommt“ – und schon gar nicht, dass der Feind nur wenige hundert Meter entfernt war.

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Viele Geschichten haben die Autoren zusammengetragen, wie die von Delmar, der einen Fluchtversuch beobachten musste. Der Flüchtling wurde erschossen und Delmar konnte nicht helfen. Oder die Geschichte von Joe, der in der Abhörstation auf dem Teufelsberg arbeitete. Da er mit niemandem über seinen Job reden durfte, hatte er keine deutschen Freunde.

Besonders bewegt hat Meyer die Geschichte von Larry und seiner deutschen Frau Uschi. Die Filmemacher begleitete die beiden zu den ehemaligen Andrew Barracks an der Finckensteinallee und erfuhren, dass die beiden dort vor 48 Jahren geheiratet hatten. Im Winter, bei tiefstem Schnee so dass der Trauzeuge es fast nicht rechtzeitig zur Trauung geschafft hätte. Uschis Eltern haben sie wegen dieser Ehe verstoßen, erzählt Meyer. Doch sie habe während des Drehs gesagt, sie würde ihren Mann gern noch einmal dort heiraten. Doch dazu kam es nicht mehr, Larry starb. Einer seiner Sätze aber hallt bis heute in ihm nach, sagt Meyer: „Alte Leute schicken junge Leute in den Krieg, denn wenn die Alten in den Krieg ziehen müssten, würde es keinen geben.“

Ihren Lebensmittelpunkt hatten die befragten Veteranen in Steglitz-Zehlendorf. „Berlin –  das war für sie Steglitz-Zehlendorf und der Ku’damm“, sagt Meyer, der mit ihnen die einstigen Kasernen, die Andrew Barracks und die McNair Barracks, aufsuchte. Auch die Truman-Plaza und das ehemalige Headquarter besuchten die beiden Steglitzer mit den Veteranen. Sie seien schockiert gewesen, weil sich dort alles verändert hatte, berichtet der Filmemacher. Früher sei alles strategisch gesichert gewesen, heute entstehen dort Wohnungen oder es zerfällt, wie der Uhrenturm am Platz des 4. Juli. „Ihr Berlin gibt es nicht mehr. Die Insel wurde überspült von der Geschichte.“

Fast allein haben Meyer und Schneider den Film finanziert, unterstützt mit einer kleinen Zuwendung der Checkpoint Charlie Stiftung, um auch in den USA drehen zu können. Doch um den Film fertigzustellen, brauchen die beiden Filmemacher nun Geld für den Ton, die Farbkorrektur und um die Einreichgebühr für Festivals bezahlen zu können. Deshalb starteten sie eine Crowdfunding-Aktion auf Indiegogo, um Unterstützer zu suchen.

Für ihn habe der Dreh seinen Blick auf die Stadt verändert, sagt Meyer. „Ich habe gesehen, wie toll Berlin ist. Und ich kann jetzt genauer verstehen, unter welchen Bedingungen meine Eltern und meine Familie gelebt haben. Auch kann ich jetzt Krieg besser verstehen und warum junge Leute dorthin geschickt werden. Als Kriegsdienstverweigerer habe ich mir darüber vorher keine Gedanken gemacht.“

Wer die Fertigstellung des Film unterstützen will, kann dies unter www.indiegogo.com/projects/mauerkinder

(go)