Kaffeeduft im Elfenbeinturm – Das Konzept Philosophischer Cafés

Kaffeeduft im Elfenbeinturm – Das Konzept Philosophischer Cafés

Foto: Maurice Schuhmann

 

 

Ein Beitrag in einem Französischlehrbuch war meine erste Begegnung mit dem Konzept der Philosophischen Cafés. Ein paar Jahre später nahm ich dann erstmalig an einem solchen Treffen im Café des Phares, dem legendären Café an der Bastille in Paris, wo die Geschichte der Philosophischen Cafés begann, teil und hörte gespannt den Ausführungen der Anwesenden zu. Knapp 70 Leute saßen hier beisammen, tranken Kaffee und tauschten sich angeregt miteinander aus.

Die Idee eines solchen Philosophischen Cafés wurde Anfang der 1990er Jahre in Paris geboren. Marc Sautet, der Spiritus Rector jenes Konzepts, saß gemeinsam mit ein paar Kollegen in der Mittagspause beim Kaffee. In das Gespräch der Runde mischten sich auch andere Gäste ein. Vielleicht nichts Ungewöhnliches, aber für Sautet war es die Inspiration, die Philosophie wieder aus dem Elfenbeinturm zu befreien und in den Alltag der Menschen zu integrieren. Er lud zu einem offenen philosophischen Treffen ein, welches unter dem Titel „Philosophisches Café“ bekannt wurde. Seine Erfahrungen fasste er später unter dem Titel „Ein Café für Sokrates“ zusammen. Ein paar Jahre weiter etablierte Lutz von Werder das Konzept in Deutschland – und leitet bis heute die wohl bekanntesten Philosophischen Cafés in Berlin. Momentan leitet er zwei davon – eines in der Urania und ein zweites im Literaturhaus Fasanenstraße.

Auch er hat seine Erfahrungen in einer Einführung – „Das Philosophische Café“ – dargelegt. Seitens der professionellen und universitären Philosophie gibt es – ähnlich wie gegenüber dem Konzept „Philosophieren mit Kindern“ – Vorbehalte. Was habe ein Austausch unter philosophischen Laien – auch wenn er unter fachlicher Anleitung stattfindet – mit Philosophie zu tun? Die Grundlagen des philosophischen Argumentierens, die eine der zentralen Aspekte der Philosophie ausmachen, würden hier fehlen. Der Vorwurf ist sicherlich nicht von der Hand zuweisen, aber gleichzeitig entspricht das Konzept des Philosophischen Cafés dem idealisierten Bild der antiken griechischen Philosophie, die traditionell auf dem Marktplatz gelebt wurde.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von solchen Philosophischen Cafés in Berlin – sei es in der Urania, im Literaturhaus Fasanenstraße, in dem Kulturprojekt Novilla in Schöneweide, wo der Autor des Beitrages selber seit knapp drei Jahren Philosophische Cafés leitet, oder in den Stadtteilzentren in Schöneberg und Lankwitz. So unterschiedlich die Orte und die jeweiligen Betreiber*innen sind, so sehr gleichen sie sich im Anspruch. Es handelt sich um offene Orte, an denen ein geistiger und respektvoller Austausch miteinander gepflegt wird. Dabei geht es nicht darum, als Individuum mit dem eigenen Wissen zu glänzen oder sich Wissen über Philosophiegeschichte anzueignen, sondern darum eigene Positionen im Gespräch zu schärfen, neue Blickwinkel kennenzulernen, sich bezüglich eigener Positionen selbst zu vergewissern bzw. zu überprüfen. Die bestehenden Philosophischen Cafés freuen sich i.d.R. immer über Zuwachs von Interessierten.

Lektüretipps zum Einstieg:
Marc Sautet: Ein Café für Sokrates. Siedler Verlag, München 1999.
Lutz von Werder: Das philosophische Café. Schibri Verlag, Berlin/Milow 1998.

 

 

 

Dr. Maurice Schuhmann
Website: https://www.maurice-schuhmann.de
Autorenseite bei FB: https://www.facebook.com/Dr.phil.Schuhmann
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Anm. d. Red.
Dr. Schuhmann ist promovierter Politikwissenschaftler
und Autor des philosophiegeschichtlichen Städteführers
Geistreiches Berlin und Potsdam“ (Bäßler Verlag 2021).

Der Städteführer ist erhältlich über:
https://www.baesslerverlag.de/p/geistreiches-berlin-und-potsdam

 

 

 

 

 

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