
Foto: Daniela von Treuenfels
Am 4. November begegnen sich die Akteure rund um das ehemalige Kraftwerk Steglitz erstmals persönlich im Rathaus Zehlendorf. Wen werden die Vertreter der Ämter treffen? Welche Pläne wird der Investor vorstellen?
Als vor über einem Jahr im Amtsgericht Schöneberg der Hammer fiel und das Kraftwerk Steglitz den Besitzer wechselte, war die Aufregung groß. 141 Millionen Euro lautete das Höchstgebot der SF Grambin Beteiligung UG, heute GmbH. Wie sich im Nachhinein herausstellte, stand der tatsächliche Kaufpreis lange vorher fest und war wohl deutlich geringer (die Stadtrand-Nachrichten berichteten mehrfach).
Heute steht nach eigenen Aussagen SF-Grambin-Geschäftsführer Steffen Fräbel im Grundbuch für das Grundstück Birkbuschstraße 40-42, einem Teil des Geländes des ehemaligen Kraftwerks Steglitz. Sein Unternehmen hat laut Handelsregister ein Stammkapital von fünf Millionen Euro. Fräbel sagt, das Geld stamme aus den Gewinnen früherer Geschäfte mit Kryptowährungen.
Auf der Suche nach Aktivitäten der Gesellschaft findet man: Kurioses, ein fast gescheitertes Immobilienprojekt und dazu ein wenig heiße Luft: Wir erinnern uns an Fräbels Versuch, einen Wikipedia-Eintrag über sich selbst zu veröffentlichen. In dem Eintrag, der auch im zweiten Versuch umgehend gelöscht wurde, stand unter anderem: „Steffen Fräbel hat sich als Immobilieninvestor etabliert und verfügt über ein umfangreiches Portfolio von Immobilien, die zusammen einen Wert im mehrstelligen Millionenbereich haben.“ In dem nicht mehr aufrufbaren Artikel, der den Stadtrand-Nachrichten vorliegt, distanziert er sich auch von einem Betrugsfall, der ihn mit dem sogenannten Abou-Chaker-Clan verbindet: er sei hereingelegt worden, möchte er der Welt via Wikipedia mitteilen. Eine Recherche von Spiegel TV hatte ihn zuvor als „Clan-Helfer“ bezeichnet und seine Rolle in einem Betrugsfall geschildert. Fräbel wurde wegen Prozessunfähigkeit nie verurteilt.
Zum Zeitpunkt des Eintrages in das Online-Lexikon, im Mai 2024, hatte bereits der innere Abschied von einer Immobilie begonnen, die Steffen Fräbel im Jahr 2023 in Brandenburg ebenfalls im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben hatte. Für 700.000 Euro, sagt der Investor am Telefon, habe er den Zuschlag für das ehemalige DDR-Ferienlager Sonnenhof in Bad Saarow erhalten. Die Gemeinde Bad Saarow habe ihm bis heute nicht gestattet, seine Pläne zu verwirklichen; am Ende soll die Realisierung unter anderem an der von Fräbel gewünschten und nicht genehmigten Herstellung von Dachgauben gescheitert sein. Eine entsprechende Baugenehmigung wurde nicht erteilt, derzeit befindet sich der Antrag im Widerspruchsverfahren, Fräbel belegt dies mit einem aktuellen Schreiben seines Architekten an das Bauamt. Dennoch gibt es Verkaufsabsichten, auf ImmoScout wird das rund 1,1 ha große Gelände derzeit für 7,9 Millionen Euro angeboten.
Im November 2024, etwa ein halbes Jahr nach dem Erwerb des Kraftwerks Steglitz, eröffnete die SF Grambin Beteiligung GmbH einen Shop bei Ebay. „Dropshipping“ sei die Idee dahinter gewesen, sagt Steffen Fräbel auf Anfrage. Das Geschäftsmodell besteht in der Vermittlerrolle zwischen Kunden und Hersteller: Der Online-Händler übernimmt Bestellannahme und Abrechnung, ansonsten leitet er den Käuferwunsch weiter an den Produzenten oder Großhändler.
Fräbel hat das Business nach 468 verkauften Artikeln wieder aufgegeben. „Hat nur Geld gekostet“, meint er. Der Immobilienentwickler, der der interessierten Öffentlichkeit eine Investition von 150 Millionen Euro in Lankwitz verspricht, hat beispielsweise Briefmarken aus der Zeit des Deutschen Reiches vertickt. Oder ein Gemälde, eine Zeitschaltuhr, eine Stehlampe oder die „Jean & Len Sehr Geile Handcreme Rosemary & Ginger“.
Der Unternehmer hat offensichtlich Kapazitäten, die er nicht in eigentlich notwendige Projekte steckt: der offizielle Firmensitz ist nach wie vor unsaniert, die Webseite könnte neben einem Impressum ein paar aussagekräftige Informationen zum Unternehmen vertragen. Aber doch, ab und zu geschieht ein wenig, am Telefon erzählt Steffen Fräbel von seinen Aktivitäten: Netflix habe das Kraftwerk für Filmaufnahmen gebucht, ein Immobiliengeschäft in Potsdam sei leider nicht zustande gekommen und die Adler Group habe ihm den Steglitzer Kreisel zum Kauf angeboten – aber das sei nichts für ihn.
Zur Zukunft des Kraftwerksgeländes an der Birkbuschstraße gibt es bisher nur ein „Grobkonzept“, das vermutlich Widerstand erzeugen wird: Der Bezirk hält Wohnen für nicht genehmigungsfähig, Fräbel will nach dieser Rohfassung 90 Prozent der Flächen als Wohnungen errichten. Ein 10geschossiger L-förmiger Wohnriegel würde die Sicht auf das quartierprägende alte Gasturbinengebäude verdecken. Schwer vorstellbar, dass das Denkmalamt hiermit einverstanden wäre.
Am Telefon gibt Steffen Fräbel sich wesentlich geschmeidiger. Was bisher am ehesten feststehe, sei ein Plan B: Wenn alle Stricke reißen, entstehe an dem Standort ein Datencenter. Das passe zum Plan der benachbarten landeseigenen „Berliner Energie und Wärme“ (BEW), auf ihrem Gelände Stromspeicher zu bauen. Die Rechner auf seinem Grundstück könnten durch das Wasser des Teltowkanals gekühlt werden.
Aber eigentlich hat der Kraftwerks-Eigentümer ganz andere Vorstellungen, Wohnungsbau steht dabei klar an erster Stelle. Die Wohneinheiten ließen sich auch auf drei Baukörper verteilen, um den Charakter des Quartiers zu unterstreichen. Kultur: „Ja warum nicht, aber wer soll das bezahlen?“ Gewerbe könnte man zur Birkbuschstraße orientieren. Das Gelände am Kanalufer könnte öffentlich zugänglich werden. Um über mögliche Ideen zu sprechen, will Fräbel am 4. November auch seinen Architekten mitbringen.
Der Investor hat schon eine feste Vorstellung, welche gesetzlichen Möglichkeiten genutzt werden könnten, um seinen Wünschen nach maximaler Wohnfläche nachzukommen. Im Wesentlichen soll demnach das neue baurechtliche Instrument des „Urbanen Quartiers“ genutzt werden. Der § 6a der Baunutzungsverodnung sieht seit 2017 diese neue Baugebietskategorie vor. Sie wurde eingeführt, um dem neuen Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“ zur Umsetzung zu verhelfen, also Nachverdichtung dort zu ermöglichen, wo sie vorher rechtlich nicht erlaubt war. Bisheriges Planungsrecht eignete sich nicht für die Schaffung von nutzungsgemischten Gebieten, im Gegenteil: das Baurecht sah mit Wohn- und Gewerbeflächen die Trennung der Funktionen vor.
Im Gegensatz zum Mischgebiet muss die Nutzungsmischung (Wohnen, Gewerbe, soziale bzw kulturelle Nutzung) im Urbanen Quartier nicht gleichgewichtig sein, die Wohnnutzung kann also deutlich überwiegen. Die Bewohner müssen aber im Urbanen Quartier mehr Lärm und mehr Dichte hinnehmen, sind also vergleichsweise schlechter gestellt als im Mischgebiet.
Das neue Planungsrecht eröffnet einen weiten Spielraum, der sowohl den Abschied von Funktionstrennungen als auch von bisherigen Vorstellungen von gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen beinhaltet. Eine Entscheidung über diese Innovation wird auf Landesebene getroffen, das Abgeordnetenhaus müsste einer Änderung des Flächennutzungsplanes zustimmen.
Geht es nach Steffen Fräbel, müsste auch § 31 Abs. 3 BauGB Anwendung finden. Das Gesetz sieht vor, dass Ausnahmen vom Bebauungsplan zulässig sind, wenn dadurch Wohnraum geschaffen wird. Das Problem ist aber: Für das Kraftwerksgelände gibt es gar keinen Bebauungsplan, also auch keine Ausnahme. An einem langwierigen B-Planverfahren wird man also wohl kaum herumkommen. In jedem Fall müssten sich die Akteure auf ein Konzept einigen. Ob das gelingt, wird abzuwarten sein.
Daniela von Treuenfels
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