Die Begeisterung für technische Zusammenhänge und die Faszination alter Technik – das verbindet die Mitglieder des Vereins „Märkische Kleinbahn“ am Bahnhof Schönow in Lichterfelde.
Gegründet wurde der Verein 1981 bei einer Sonderfahrt in der DDR. Zu dem Zeitpunkt fuhren in der BRD nämlich keine Dampflokomotiven mehr, während die DDR Sonderfahrten mit diesen alten Loks anbot, erzählt Niklas Pempel. Der ist zwar erst ein paar Jahre nach der Vereinsgründung geboren, doch kennt er die Geschichte des Vereins und seiner Fahrzeuge genau.Und natürlich auch die seines Namens. Das „Kleinbahn“, so erklärt Pempel, sage nichts aus über Fahrzeugtypen oder Spurweiten, sondern man beziehe sich dabei auf das Preußische Kleinbahngesetz von 1892. Das erlaubte es kleinen Gemeinden und Unternehmen, unter einfachen Regelungen Bahnen zu bauen und so auch ländliche Gegenden zu erschließen, weil dies die Preußische Staats-Eisenbahn nicht leisten konnte. Das „Märkische“ im Namen soll ein Brückenschlag sein zur Umgebung, erklärt Geschäftsführer Frank Jander. Und der „Bahnhof Schönow“, an dem der Verein seinen Sitz hat, soll ein Stückchen Heimatverbundenheit demonstrieren. Denn diesen Bahnhof hat es so nie gegeben. Es sei ein Betriebshalt der Goerzbahn gewesen, erklärt Pempel, der Rechnugsführer des Vereins ist.
1904 hatte ein cleverer Investor sich das Grundstück an der heutigen Goerzallee gesichert, um den Stichkanal als Gewerbegebiet zunächst per Pferde- und später per Eisenbahn zu erschließen. Der Beginn der Zehlendorfer Eisenbahn – einer eigene Eisenbahngesellschaft, in deren Nachfolge der Verein steht. Deshalb stehen dessen Fahrzeuge, Anlagen und Personal auch unter Aufsicht der Landeseisenbahnaufsicht. Der Verein darf sogar selbst ausbilden und Prüfungen abnehmen.
1915 war die erste Dampflok auf den Schienen der Anschlussbahn unterwegs, 1948 die letzte. Sogar Personenverkehr bestand knapp 30 Jahren auf der Strecke, allerdings nur für Werksangehörige, so Pempel. Einen öffentlichen Bahnhof gab es dort nie.
Nach der Berlin Blockade übernahm die Deutsche Reichsbahn die Zehlendorfer Eisenbahn, deren Schienen unter anderem von den amerikanischen Streikräften genutzt wurden, um Waren und Panzer zu transportieren.
Als die AG „Märkische Kleinbahn“ das Betriebsgelände 1981 mietete, sei es verwildert gewesen und verfiel, erinnert sich Jander. „Es war keine Scheibe heil“, berichtet er. Ein Verwaltungsgebäude war durch Brand beschädigt und abgerissen worden, ein Tor des Lockschuppens fehlte, überall hatten Laub und Unrat gelegen.
Heute stehen in dem wiederhergerichteten Lokschuppen von 1922 die Schätze des Vereins. So auch das „Erstlingswerk“, wie Pempel es nennt. Die Diesellok Kö1 hatte der Verein 1981 erworben und in 3.500 Arbeitsstunden wieder aufgebaut. „Sie war Schrott“, erzählt Martin Wohlan. „Alles was verschleißen kann, war verschlissen.“ Die Lok wurde in alle Einzelteile zerlegt und so wieder hergerichtet, dass sie jetzt im gleichen Zustand ist, wie sie die Werkhalle 1934 verlassen hat, erklären die Vereinsmitglieder. Inklusive des Originalmotors. Mit zwei Zylindern und 25 PS bringt die Lok unglaubliche 18 Kilometer pro Stunde auf die Schiene.
Alle sechs Jahre muss die Lokomotive zur Hauptuntersuchung, wird dafür komplett auseinandergenommen, alle Verschleißteile müssen ausgetauscht werden. Eine Arbeit, die die sechs aktiven Mitglieder meist alleine vornehmen. Auch wenn sie meist keine handwerkliche oder gar eine Ausbildung bei der Bahn gemacht haben, so können sie trotzdem vieles alleine leisten: schweißen, löten, lackieren, Bleche biegen, drehen, fräsen, … Doch es gibt auch Arbeiten, die sie vergeben müssen. So wie bei der der Lok II, die der Verein 1988 gekauft hatte, aber bis 2010 unberührt ließ. Dort muss jetzt der Rahmen angehoben werden, um die Radsätze zu überarbeiten, zudem muss der Rahmen gesandstrahlt werden. Rund 35.000 Euro werde man für Materialien und externe Arbeiten brauchen, um die Diesellok von 1935 originalgetreu wiederaufzubauen, sagt Pempel – derzeit hat man durch Spenden rund ein Zehntel davon zusammen. Das Geld kommt meistens von den etwa 60 passiven Mitgliedern des Vereins.
Außer den beiden Dieselloks hat der Verein aber noch andere historische Fahrzeuge auf dem Gelände zu stehen, etwa den 1961 für die Deutsche Bundesbahn gebauten „Schienen-Lkw“ „Siegfried“, der auch in Zehlendorf im Einsatz war. 1988 kam das Fahrzeug zum Verein, seit 2001 ist es wieder einsatzbereit, seit 2012 hat es sogar wieder einen Krahn.
Das am weitesten gereiste Fahrzeug aus der Sammlung des Vereins ist „Fridolin“, eine Motordraisine mit dem Motor eines VW Käfers von 1962. Nicht ganz original ist die Farbe des Fahrzeugs, das lackiert ist wie ein Berliner S-Bahn-Zug.
Erfreuen dürfen sich an den Loks nicht nur die Mitglieder, sonnabends ist das Gelände für Besucher geöffnet, und einmal im Jahr lädt der Verein zum Tag der offenen Tür ein. Dieses Mal findet der am 13. und 14. September statt. Dann können die Loks nicht nur angeschaut werden, sondern man darf auch zu einer Rundfahrt einsteigen, etwa in den „Schienen-Lkw“, mit dem es auf der ehemaligen Stammbahn bis nach Steglitz geht; die Lok I verkehrt auf der Strecke der Anschlussbahn nach Lichterfelde-West. Doch es wird noch viel mehr zu entdecken geben. So wird gezeigt, wie Fahrkarten gedruckt werden, auf Geräten aus den 1920er Jahren und mit dem ersten computergesteuerten Fahrkartenautomaten der DDR. In einem Stellwerk zeigen die Vereinsmitglieder, wie ein Zug zum Fahren gebracht wird – inklusive dem als Modell nachgebauten Bahnhof Frohnau plus S-Bahn. Noch viel mehr gibt es im kleinen Eisenbahnmuseum und auf dem Gelände zu sehen. Wer mehr wissen will, über die Geschichte des Geländes und der Goerzbahn, kann dann auch das Buch erwerben, das Vereinsmitglieder 2005 anlässlich der Gründung der Zehlendorfer Eisenbahn vor 100 Jahren veröffentlichten.
Geöffnet ist das Betriebsgelände an den Tagen der offenen Tür am Sonnabend von 12 bis 18 Uhr, am Sonntag von 10 bis 18 Uhr.
(go)