Reinhold Freudenberg und seine Frau enthüllten die Informationsstele. Foto: Gogol

Er war das letzte Todesopfer an der Berliner Mauer: Am 8. März 1989 – nur wenige Monate bevor sie sich öffnen sollte – stürzte Winfried Freudenberg mit seinem selbst gebastelten Ballon über Zehlendorf ab.

Nachdem er fünf Stunden hilflos über Berlin geschwebt war, ging Freudenberg an der Ecke Goethestraße/Erdmann-Graeser-Weg zu Boden und erlag seinen Verletzungen. Am Montag wurde an dieser Stelle eine Informationsstele enthüllt, die an sein Schicksal erinnern soll.

„Ich bin unwahrscheinlich gerührt“, sagte Reinhold Freudenberg, der Bruder Winfrieds, der mit seiner Frau aus Lüttgenrode (Harz) zur Steleneinweihung gekommen war. Er habe Abstand zu den Ereignissen gewonnen, so Freudenberg, doch wenn er daran rühre, dann denke er weniger an den Absturz seines Bruders, sondern daran, welche Qualen er durchgestanden haben muss, während dieser fünf Stunden in der Luft, sagte Reinhold Freudenberg bewegt. „Wie musste er leiden“, erst dann kam die Ohnmacht – und der Tod.

An die Ereignisse rund um diesen 8. März erinnerte in seiner Rede der Historiker Dr. Hans-Hermann Hertle, der auch den Stelentext verfasst hatte.

Winfried Freudenberg und seine Frau sahen in der DDR keine berufliche Zukunft mehr für sich, Reisen, Tagungen Kontakte zu Kollegen ins Ausland waren dem Diplom-Elektronikingenieur und der Chemikerin nicht erlaubt. Doch so wollten sie nicht leben, sie wollten die „freie Entscheidungsmöglichkeit über ihre Zukunft“, so Hertle. Und so war in den beiden 1988 der Plan gereift, mit einem Ballon zu fliehen. Einen Heißluftballon mit Korb in die Nähe der Mauer zu bringen, sei zu gefährlich gewesen, deshalb habe sich das Paar entschlossen, mit einem Gasballon zu fliehen, in dessen Schnüren sie sich festhalten wollten. Es sollte ja nur ein kurzer Flug in niedriger Höhe werden.

Freudenberg nahm eine Stelle beim Energiekombinat im Bereich Gasversorgung an und zog mit seiner Frau nach Prenzlauer Berg. Dort bastelten sie heimlich an ihrem Gasballon. Sie kauften Polyäthylenfolien und verbanden sie mit Spezialklebeband zu einem im Durchschnitt elf Meter großen Ballon, den sie mit Schnüren umspannten. Dann warteten sie auf günstige Winde. Die gab es am 7. März. Sie fuhren zur Gasversorgungsstation in Blankenburg und füllten den Ballon. Doch gegen 2 Uhr tauchte plötzlich Polizei auf – ein Zeuge hatte sie gerufen. Der Ballon war noch nicht groß genug, konnte nicht beide tragen. Und so startete Winfried Freudenberg allein. Doch der überstürzte Start hatte schwere Folge, so Hertle. Der Ballon stieg schneller und höher als berechnet. Die Reißleine funktioniert nicht. Über Stunden schwebt der 32-Jährige bei großer Kälte über Berlin, kämpft um sein Leben. Dann stürzt ab, „sein Ziel so dicht vor Augen“.

Und mit ihm stürzte auch die DDR plötzlich in die bürgerliche Welt Zehlendorfs, so Bezirkstadträtinerstin Richter-Kotowski (CDU), die die Stele zusammen mit dem Bruder des Opfers enthüllte. Der Tod Freudenbergs habe für weltweite Bestürzung gesorgt, so Richter-Kotowski.

Mit einer Schweigeminute gedachten die, die zur Enthüllung gekommen waren, nicht nur Winfried Freudenberg, sondern allen, die an der Mauer getötet wurden, die eingesperrt waren und an die, die aus Kummer und Verzweiflung über die Trennung und den Tod von geliebten Menschen starben, so Hertle.

Für Reinhold Freudenberg ist die Stele auch eine Erinnerung an die Teilung des Landes. Viele junge Menschen wüssten heute nicht viel über die Geschichte. Diese Stele schaffe ein Bewusstsein dafür und kläre auf.