Der Maler Helmut Klock. | Foto: Anja van Kampen

 

In der Petruskirche am Oberhofer Platz ist derzeit eine Ausstellung mit Werken des Lichterfelder Künstlers zu sehen.

Zur Vernissage sprach Ulrike Meyer. Wir veröffentlichen die geringfügig gekürzte Laudatio im Wortlaut:

„Im Traum wachsen die Räume mit Farbe und Zeit im Einklang“ – sagt Helmut Klock. Die „TraumOrte“ des Malers wachsen auf seinen Leinwänden zu poetischen Räumen, überwiegend gestaltet in unterschiedlichsten Blautönen – ganz im Sinne des spanischen Malers Joan Miro, von dem das berühmte Zitat über die Farbe Blau stammt: „ceci est la couleur de mes rêves“ – „Das ist die Farbe meiner Träume“!

Miro ist einer der Künstler, von dem sich Helmut Klock in all den Jahren seines künstlerischen Schaffens hat inspirieren lassen. Und auch für Helmut Klock ist die Farbe Blau gewissermaßen existentiell: „Ich lasse mir die Farbe Blau nicht nehmen!“ – so seine Haltung. Sie spiegelt sich in einer Hommage an Miro wider mit dem Bild „ce sont les bleus“, von 2019.

Ägyptisches Blau, Ultramarinblau, Kobaltblau, Coelinblau, Preußischblau, Cyanblau, Türkisblau, Berliner Blau, Indigo, Azurit, Meeresblau, Himmelsblau, Marienblau – es gibt unzählige Nuancen sowie unzählige Wirkungen von Blau, die unser Unterbewusstsein ansprechen, tiefere Gefühle und Sehnsüchte auslösen, wohltuend beruhigend oder zugleich anregend auf uns wirken.

 

Die Laudatorin Ulrike Meyer. | Foto: Anja van Kampen

 

In der Kunstgeschichte spielt das Blau eine wichtige Rolle, besonders in der Moderne – erinnert sei neben Miro an die „Blaue Periode“ von Pablo Picasso, an „Der Blauen Reiter“ von Wassiliy Kandinsky und Franz Marc oder an den französischen Maler Yves Klein, der sein eigenes Blau kreiert hatte, das International Klein Blue.

Die Farbe Blau hat eine magische Wirkung, und das Bild “TransitUrfassung“ aus den Jahren 2019/2020 ist ein zentrales Werk., das titelgebend für die Ausstellung ist. Großflächig leuchtet es in einem faszinierenden, strahlenden Blau! Fesselt den Blick und lässt nur kleine Ausschnitte auf verborgene, dunkle Räume frei. In einem steht eine Leiter, die steil nach oben führt und die, in Verbindung mit dem Blau, an eine Himmelsleiter erinnert.

Die Himmelsleiter symbolisiert im biblischen Kontext den Auf- und Abstieg zwischen Erde und Himmel oder auch den Abstieg in die Unterwelt. In sehr vielen Bildern von Helmut Klock tauchen Leitern, Treppen, Stiegen, Stufen oder Rampen auf: Sie verbinden oder trennen Räume und Orte, sind Metaphern für den Moment des Übergangs von einem Raum in den anderen oder den Wechsel von einem Zustand in den nächsten; sie verbildlichen den Zeitpunkt oder den Prozess des Transits.

Den Begriff Transit kennen wir in unserem Alltag hauptsächlich in der Bedeutung von „Passage, Durchfuhr von Waren oder Durchreise von Personen durch ein Drittland mit einem Transitvisum“, und er impliziert immer die Bewegung von A nach B.

Im künstlerischen Ausdruck jedoch, wie hier bei Helmut Klock, greift diese alltägliche Definition zu kurz. Diese Definition hilft uns nicht, seine Werke zu dechiffrieren. Den Begriff Transit müssen wir uns daher genauer anschauen.

 

Werk des Künstlers Helmut Klock. | Foto: Anja van Kampen

 

Natürlich bezieht sich Transit immer auch auf eine räumliche Bespielung, aber nicht nur. Helmut Klock bietet uns unterschiedliche Deutungen seiner Durchgangspassagen an. Dafür hat er eigene, transitorische Chiffren entwickelt, wie die bereits erwähnten Leitern, Treppen und Stufen, die auch die zeitliche Dimension der Transition vermitteln, nämlich zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Zusätzlich bedient Helmut Klock sich sprachlicher Codes, die fragmentarisch, ähnlich wie Zitate seine Bildsprache unterstützen: Zwischenort, Traumzeit, Zeitraum, rêve, das französische Wort für Traum oder „ocean flowers“, als Reminiszenz an den US-amerikanischen Maler Richard Clifford Diebenkorn,– um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Zitate präsentiert Helmut Klock in Groß- und Kleinbuchstaben, manche von ihnen sind gespiegelt, andere gedruckt, mit der Hand geschrieben, collagenartig als Zeitungsausschnitt oder Werbetafel ins Bild montiert.

Spannend ist in diesem Zusammenhang das Objekt „meine Elemente – „Zeit, Licht, (t)Raum, Poesie“ aus dem Jahr 2024. Die Zitate platziert der Maler auf den Grenzen seiner Farbräume, zwischen deren Übergängen oder an ihren Randzonen. Auf diese Weise unterstützen die Zitate den transitorischen Prozess, verbinden aber auch was grafisch strenge Linien scheinbar trennen und ermöglichen sowohl einen Dialog der Farben und Flächen innerhalb des Gemäldes als auch den Dialog mit den Betrachtenden.

Als Beispiel sei hier das Bild „am Rand unterwegs“ genannt, dass bereits 2017 entstanden ist und diesen transitorischen Gedanken Klocks vorwegnimmt. Um die Zwischenexistenzen, Übergangsräume und Schwellenbereiche einer Passage bildhaft darzustellen, komponiert Helmut Klock seine Bilder in strenger grafischer Ordnung, deren Farbflächen und Farbräume konsequent der Aufteilung des Goldenen Schnitts folgen. Das ist beispielsweise gut zu erkennen in dem Bild „Transit“ von 2024.

Auf diese Weise entstehen innerhalb des Bildes mehrere Farbflächen in harmonischen Proportionen, mit kontemplativer und konzentrierter Wirkung. Diese Wirkung steht im Gegensatz zu dem, was ein Transit eigentlich ausmacht – nämlich Bewegung und Veränderung. Der strenge grafische Bildaufbau sorgt für eine Stabilität, die einer Veränderung eigentlich nicht innewohnt. Veränderung geht immer einher mit Ungewissheit, Unsicherheit und Instabilität. Es geht immer um alte und neue Verortungen.

 

Foto: Anja von Kampen

 

In seinen Bildräumen hat Helmut Klock auch dafür eine spannende Ausdrucksform gefunden: Expressive, schwarze Kreidestriche und Kohleschraffuren, die mit wilder Energie wie architektonische Gerüste die einzelnen Bildräume vital verbinden, überlagern und sich der geometrischen Gestaltung entgegenstemmen.

Sie sind in vielen seiner Bilder zu finden, so auch in dem gerade erwähnten Bild „Transit“, von 2024. Säulenartig strebt hier das in Großbuchstaben geschriebene Wort „TRANSIT“ nach oben und stützt eine imaginäre, rätselhafte Kuppel grober Hieroglyphen aus schwarzer Kreide. Das Schwarz, die unbunte Farbe und dunkelste von allen, bildet auf den hellen, verwischten Schichtungen des Untergrunds einen äußerst starken Kontrast mit fast schon furchteinflößender Wirkung.

Mit den expressiven, schwarzen Kreidestrichen verleiht Helmut Klock seinen Bildern die Dramatik, die häufig einhergeht mit existentiellen Veränderungen innerhalb einzelner Lebensabschnitte.

Helmut Klocks Transit-Philosophie wird besonders deutlich in „Transit-Raum2“ von 2024, ein großformatiges Bild im Querformat mit den Maßen, 80×160. Von links nach rechts gelesen, beginnt der Bildaufbau mit einem dunklen Ort. Direkt daneben eine geöffnete blaue Tür, die symbolhaft für das Verlangen nach Veränderung steht. Sie führt den Blick in eine weiße, erlösende Helligkeit, die wiederum in einen sehnsuchtsvollen Blauraum‘ übergeht.

Der transitorische Moment wird mit kräftigen schwarzen Kreidebuchstaben verstärkt. Das Substantiv Transit wächst wie ein gewaltiger Baum aus ihm hervor und es scheint, als verhindert sein gewaltiges Geäst den Übergang in den zweiten ‚Blauraum‘, der von einem Sockel aus zarten Gelb-, Weiß- und Rosatönen getragen wird. In dieser Zwischenexistenz des „Transit-Raum2“ vereint Helmut Klock seine gesamten malerischen Gestaltungsmittel wie Acrylfarben, Kreide, Spachteltechnik, Schraffuren, Schichtungen, Schriften und Zitate.

Aber damit ist es ihm nicht genug! Er setzt, wie es umgangssprachlich so schön heißt, noch einen drauf! Bei diesem Bild verwendet Helmut Klock gezielt ein beliebtes Mittel aus der Werbung: Eine blaue Leuchtstoffröhre! Mit ihr verstärkt er den goldenen Schnitt.

Das kühle Neonlicht markiert und trennt nicht nur die Grenzen der blauen Räume, durch das Neonlicht werden sie zusätzlich illuminiert. Das blaue Licht erhöht die Wirkung der Farbe und bildet zugleich eine leuchtende Zäsur im Bild. Der vordere Raum hört auf und unmittelbar danach beginnt der nächste. Unmissverständlich und fast schon vokativ die mahnenden Worte „ES ENDET“!

Sie sind zweizeilig in Versalien am oberen Bildrand angeordnet. Sie stehen sowohl im alten als auch im neuen Raum, getrennt von der blauen Leuchtstoffröhre, die dem alten und neuen Raum eine jeweils eigene Bedeutung zuschreibt, die Spannung zwischen dem Vorher und Nachher nachdrücklich betont und die Loslösung von Altem und Vertrautem optisch unterstreicht.

Das Stilmittel der Neonröhren, ein äußerst zerbrechliches Material, zur Unterstützung des Goldenen Schnitts, findet sich auch in dem Bild „meine Elemente – Zeit, Licht, (t)Raum, Poesie“, aus dem Jahr 2024 und in „rêve“, 2019, sowie „Transit Nr. 6“, 2024.

Die Bilder von Helmut Klock funktionieren wie Folien für Umbruchphasen und bieten mit dem Sehnsuchtsblau den Menschen Zukunftshoffnung an.

Oder aber auch Spaß – dafür steht eines seiner älteren Gemälde, das großformatige „Tangoflowers“, aus dem Jahr 2016, mit den Maßen 180×110. Transformation ist hier die Schrittfolge des imaginären Tanzpaares, das sich innerhalb der Tanzfläche von Stelle zu Stelle bewegt. Fast alle bereits erwähnten Stil- und Farbmittel lassen sich schon „Tangoflowers“ wiederfinden.

Klocks Gemälde könnten aber auch als restaurative Versuche seiner eigenen Geschichte gelesen werden. Als seine ständige Suche als Kreativer nach Veränderung im künstlerischen Ausdruck oder auch als Ablehnung des Stillstands.

Jede neue, leere Leinwand stellt Helmut Klock vor die Aufgabe, ins Ungewisse des Malprozesses aufzubrechen und sich malend neuen Herausforderungen zu stellen. Somit ist der Schaffensprozess selbst transitorisch und ist eine Möglichkeit der individuellen Weiterentwicklung seiner zielgerichteten Kreativität.

Für den Künstler Helmut Klock ist der Zustand des Transits nicht abgeschlossen. Um es mit seinen Worten zu sagen: „Es ist ein Spiel mit Farben und Linien. Ein Spiel mit den Möglichkeiten der Materialien. Und spielen befreit!“

Ulrike Meyer

 

Ausstellung „Transit“

Bilder von Helmut Klock

Bis Oktober 2024

Petruskirche, Oberhofer Platz, 12207 Berlin

Die Türen Petruskirche sind jeden Mittwoch und Samstag von 10 bis 13 Uhr für Besucherinnen und Besucher geöffnet sowie vor oder nach jeder Kulturveranstaltung.

https://www.petrus-kultur.de/ausstellungen

 

Kirchenkunst als Showroom für zeitgenössische Malerei: die Petruskirche in Lichterfelde Ost bietet lokalen Künstlern eine Bühne. | Foto: Christiane Kurz-Becker

 

Petruskirche

Seit mehr seit 40 Jahren ist die Petruskirche in Lichterfelde Ost bekannt als einer der Orte für Kunst und Kultur in Berlin.

Ihre Erfolgsgeschichte begann Anfang der 80er Jahre unter der Ägide des Pfarrers Rolf Reiser, der mit einem engagierten, ehrenamtlichen Team großartige Veranstaltungen und spannende Ausstellungen stemmte.

Kunstschaffende aus Berlin, Lichterfelder Kiez und auch aus Brandenburg zeigten ihre Werke in Einzel- oder Gruppenausstellungen. Hunderte von Ausstellungen präsentierte die Petruskirche seitdem ihrem kunstinteressiertem Publikum. Nach wie vor ist die Petruskirche als Ausstellungsort außerordentlich beliebt.