Selbstversuch im Blindenmuseum
Kann man Farben schmecken? Selbstversuch im Blinden-Museum in Steglitz. Zuerst gibt es eine abgedunkelte Brille über die Augen. Das erste Gummibärchen: Es schmeckt süß. Aber welche Farbe könnte dahinter stecken? Rot vielleicht. Begründen könnte ich es aber nicht. Auch die anderen „Testpersonen“ sind eher unsicher. Schwarze Johannisbeere könnte es sein – der Tipp kommt von einer Museumsmitarbeiterin, die blind ist. Sie hat recht. Beim nächsten Gummibärchen wird es noch schwieriger. Bis der Tipp mit dem grünen Apfel kommt – wieder von einem Mitarbeiter des Blinden-Museums – tappe ich vollkommen im Dunkeln. Ja, grüner Apfel könnte es sein. Also auch ein grünes Gummibärchen.
Ich bin nicht die Einzige, die Schwierigkeiten hat, die Farbe zu schmecken. Alexandra Kaliszewska und Kurt Krause haben keine einzige erkannt, erzählen sie. „Es hat alles gleich geschmeckt“, so Alexandra Kaliszewska. Selbst wenn sie beide verschiedener Meinung waren, lagen sie beide falsch.
Das junge Pärchen war noch nie im Blinden-Museum, ist zum Museumstag extra vorbeigekommen, um „die Welt der Blinden zu sehen“, wie sie sagen. Im Museum hat sie vor allem die Blindenschrift im alltäglichen Leben fasziniert. Zum Beispiel gibt es ja auch Blindenschrift im Aufzug, das habe er noch nie bewusst wahrgenommen, so Kurt Krause.
Heike Rosenmüller aus Werder hat aus nur einem Grund den dunkelroten Gummibären erkannt – „ich mag schwarze Johannisbeere nicht“, erzählt sie lachend. Den Test habe sie interessant gefunden, weil bei ihr „als Sehende andere Sinne angesprochen“ wurden. Der Test war zudem auch Vorbereitung auf den Abend, dann will Rosenmüller ins Dunkelrestaurant „Nocti vagus“.
Zum zweiten Mal beteiligte sich das Blinden-Museum am Internationalen Museumstag am Sonntag und hatte dafür ein besonderes Programm zusammengestellt. Die Brailleschrift konnte selbst ausprobiert werden, Hilfsmittel wurden vorgestellt und es gab eine Lesung mit Musik. Vorgelesen wurde aus Grimms Hausmärchen, die in diesem Jahr Jubiläum feiern. Vor 200 Jahren sind sie zum ersten Mal erschienen. In diesem Zusammenhang präsentiert das Blinden-Museum einen ganz besonderen Schatz – eines der ersten Bücher, die in Deutschland in Brailleschrift erschienen sind: eine Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen von 1874. Ein sensationeller Fund im eigenen Archiv, erzählt Museumspädagogin Frederike Müller. Die Brailleschrift sei zum Anfang sehr umstritten gewesen, berichtet sie weiter. Erst 1879 habe sie Einzug in die Schulen gehalten, ergänzt der 1. Vorsitzende des Fördervereins des Deutschen Blinden-Museums Berlin, Jürgen Lubnau.
Entdeckungen im Energie-Museum
Ganze Familien erkunden derweil das Energie-Museum in der Teltowkanalstraße, schauen sich Sicherungen und Glühbirnen an, Kabel und Turbinen.
„Wir habe es schon öfter gesehen, die Öffnungszeiten haben aber nie gepasst“, begründet Katrin Schaar ihren Besuch an diesem Tag mit Mann, Tochter und Sohn. Die 47-Jährige ist fasziniert davon, in wie kurzer Zeit sich die Technik verändert hat. Vor 100 bis 120 Jahren habe es noch keine Waschmaschine gegeben und nur ein rudimentäres Telefon. An einige Sachen konnte sie sich sogar noch selbst erinnern. Und so zeigt sie ihrer Tochter eine „Musikbox“ wie sie sich noch aus Kindertagen kennt, mit Plattenspieler, Radio und Fernseher.
Begeistert zeigt sich die Familie aus Südende vor allem von den Telefonen im zweiten Obergeschoss, wo man sogar selbst mal zum Hörer greifen kann. Und über die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die alles so toll erklären.
Einer von ihnen ist Peter Lamy. Vor einem Jahr war er noch selbst Besucher. Da entdeckte er eine Telefon-Vermittlungsanlage von 1954, die nicht funktionierte. Er baute sie wieder auf. Nun kann sie benutzt und vor allem auch vorgeführt werden. „Ein Museum muss leben“, findet Lamy, der bei den Deutschen Telefonwerken gearbeitet und beim Rundfunk die Telefonanlagen gewartet hat. Um das „Spiel der Relais“ beobachte zu können, wurde diese extra unter Plexiglasscheiben gesetzt.
Jetzt hat Lamy ein neues Projekt: eine Hebdrehwählvermittlung aus dem Jahre 1922. Seit drei Wochen arbeitet er daran sie wieder aufzubauen. Doch die passenden Unterlagen fehlen. Zwei Monate werde er wohl noch brauchen, schätzt er. Im nächsten Museumstag wird das Museum dann wohl auch diese historische Anlage zeigen können.
(go)