Baustelle vor dem Gutshaus Lichterfelde. Hier tagt heute der Runde Tisch Lichterfelde West. Thema: Das „Geisterhaus“ am Gardeschützenweg Ecke Hindenburgdamm. | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Busspur gestrichen, Geisterhaus ohne Zukunft, ein schwächelndes Nahversorgungszentrum – Diskussion um den Hindenburgdamm.

Wenn ein Subzentrum auf dem absteigenden Ast ist, braucht es manchmal nicht viel, um den Menschen im Kiez vollends den Glauben an Besserung zu nehmen. In diesem Fall heißt die Straße, in der die Leute der Gegend sich mit dem täglichen Bedarf eindecken, zum Friseur gehen, Blumen kaufen oder einen Döner essen: Hindenburgdamm. Die vorerst letzte Geste der Respektlosigkeit wurde der gebeutelten Einkaufsstraße jetzt durch die Senatsverkehrsverwaltung zuteil.

Konkret geht es um eine geplante Busspur von der Drakestraße bis zur Gélieustraße. Verkehrsstadtrat Urban Aykal teilte jetzt aufgrund einer Anfrage der Linken in der BVV mit: „Mitte März dieses Jahres hat das Tiefbauamt von Seiten der Senatsverkehrsverwaltung in einem Mailverkehr in cc die Info erhalten, dass die verkehrsrechtliche Anordnung zur Einrichtung des Bussonderfahrstreifens auf dem Hindenburgdamm zwischen Klingsorstraße und Gélieustraße in Abstimmung mit der Staatssekretärin für Mobilität und Verkehr zurückgenommen wird und senatsintern die Anordnung entsprechend aufgehoben werden soll. Für den Abschnitt zwischen Drakestraße und Karwendelstraße liegt noch eine verkehrsrechtliche Anordnung zur Einführung des Bussonderfahrstreifens vor. In diesem Bereich finden aktuell noch umfangreiche Arbeiten der Vattenfall Wärme AG statt. Inwieweit die Senatsverkehrsverwaltung nach Abschluss der Bauarbeiten an dieser Stelle mit der verkehrsrechtlichen Anordnung umgeht, kann ich zu dieser Stunde nicht beantworten.“

Dass die übergeordnete Behörde zentrale Entscheidungen so nebenbei und ohne Rücksprache mit dem Bezirk kommuniziert, ist das eine. Doch Aykal selbst findet auch keine Sprache, die dem gebrochenen Versprechen gerecht wird: Eine Sanierung des bestehenden Radweges sei nicht geplant. Und: „Der Fachbereich Tiefbau wird noch einmal den Radweg prüfen, mögliche Verbesserungen vornehmen und wenn diese nicht möglich sind, die entsprechenden Bereiche mit dem Schild „Radwegschäden“ kennzeichnen.“

 

„Radweg“ am Hindenburgdamm. | Foto: dt

 

Der „Radweg“ ist ein Desaster. Wer beispielsweise von der Karwendelstraße in Richtung Norden fährt, nutzt bis zum Gutshaus Lichterfelde den Gehweg oder die Straße. Vor dem Gutshaus ist es eng, weil eine Absperrung die Fußgänger schützt, die das Haus besuchen wollen, in dem sich auch eine Kita befindet. Weiter geht es in Richtung Klinikum, vor dem Landsteinerhaus stehen drei Glascontainer, die Ortskundige großzügig umfahren. Auch im weiteren Verlauf ist der Zustand des Weges schlecht. Unsichere fahren deshalb sehr langsam, wegen der geringen Breite des Gehweges sind Überholmanöver riskant, schließlich könnte jederzeit jemand aus der Haustür treten. Es folgen Baustellen, Cafétische, Läden, ein Supermarkt und überhaupt das pralle Leben inklusive Kindern und Hunden.

Sehr beachtlich ist: Das alles geht mit erstaunlich wenig Aggressionen einher. Die Menschen scheinen sich an Chaos, Lieblosigkeit und mangelnde Wertschätzung gewöhnt zu haben. Vielleicht, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass über ihre Köpfe entschieden und einer Fehlentwicklung nicht begegnet wird.

Zu den bekanntesten Kapitulationen des Staates vor den Auswirkungen privaten Missmanagements gehört das „Geisterhaus“ im Gardeschützenweg 3, Ecke Hindenburgdamm 72. Es steht seit fast 20 Jahren leer und ist mittlerweile eine Ruine. Ideen über Ersatzvornahmen und Treuhändermodelle wurden diskutiert und als zu teuer und zu rechtsunsicher wieder verworfen. Ein Gerüst schützt Fußgänger vor möglichen herabfallenden Gebäudeteilen. Ansonsten geschieht hier nichts.

 

Das „Geisterhaus“ am Hindenburgdamm Ecke Gardeschützenweg steht seit rund 20 Jahren leer und verfällt. Die Behörden sehen keine Möglichkeit einzugreifen. | Foto: Daniela von Treuenfels

 

Gewerbebetriebe und Einzelhändler im Kiez kämpfen wie an vielen anderen Orten auch um ihre Existenz. Erst kam der Internethandel, dann die Pandemie, zuletzt der Fachkräftemangel und schließlich Preis- bzw. Mietsteigerungen. Am Hindenburgdamm wurde und wird diese Abwärtsbewegung verstärkt durch jahrelange Dauerbaustellen. Erst neue Wasser- und nun neue Fernwärmeleitungen, seit Jahren geben sich die Straßenbauleute hier die Schaufel in die Hand. Mit dem Baulärm wurde „Aufenthaltsqualität“ endgültig zur unpassenden Vokabel.

Auch an dieser Stelle lässt sich eine insgesamt respektlose Kommunikation zwischen den zuständigen Stellen beobachten. Die erste offizielle Mitteilung über den Beginn der Bauarbeiten, erklärte eine Mitarbeiterin im Rahmen des „Rundes Tisches Lichterfelde West“ im Februar, kam „mit der verkehrsrechtlichen Anordnung“. Das bedeutet ungefähr: Hallo Bezirksamt, wir reißen morgen die Straße auf und wir bleiben einige Jahre bis ungefähr 2028. In diesem Jahr sollen auf der Höhe des Gutshauses noch „kleinere Restarbeiten“ erledigt werden.

Dass der Hindenburgdamm insgesamt ein nur mäßig funktionierendes Subzentrum ist, wird im Kiez mit Sorge beobachtet. Seit dem vergangenen Jahr mit der Veröffentlichung des Zentrenkonzeptes eines süddeutschen Regionalplanungsbüros im Auftrag des Bezirksamtes ist es auch amtlich: Das Nahversorgungszentrum Hindenburgdamm hat einen „erheblichen Entwicklungsbedarf“. Die Experten sehen neben einer Reihe anderer Schwächen unter anderem einen „autogeprägten Raum“, eine Trennwirkung durch „breiten Straßenraum“, wenig Querungsmöglichkeiten für Fußgänger und eine „eingeschränkte Aufenthaltsqualität südlich der Haydnstraße (schmale Gehwege, enge Fahrradspuren)“.

Die Städteplaner machen einige Verbesserungsvorschläge, von denen etliche dem Verkehr gewidmet sind. Unter anderem möchten die Experten eine „Vernetzung der verschiedenen funktionalen Teilbereiche entlang des Hindenburgdamms durch Schaffung zusätzlicher Fußgängerüberquerungen und Überprüfung der Reduzierung der Fahrbahnbereiche zugunsten einer Verbreiterung von Fuß- und Radwegen“. Entlang der gesamten 1,1 Kilometer langen Straße sollen Bänke und Fahrradparkplätze installiert und Bäume gepflanzt werden.

Runder Tisch Lichterfelde West

Es scheint, als würden Anliegen von Anwohnern, Interessen von Geschäftsleuten, Beschlüsse der Politik und wissenschaftliche Expertise an der Haustür der zentralen Behörde zerschellen. Ob der Eindruck stimmt und welche Ideen und Vorschläge es für die Kiezmeile Hibuda gibt, ist Thema des Runden Tisches Lichterfelde West. Am Mittwoch, 29. Mai, steht das „Geisterhaus“ am Gardeschützenweg im Mittelpunkt. Stadtrat Tim Richter gibt zu den Themen Wohnraum und Mieterberatung Auskunft. Interessierte können ab 18 Uhr im Gutshaus Lichterfelde mitdiskutieren.

Daniela von Treuenfels