Das Klinikum Steglitz soll nach dem Willen der Charité eine massive Neubebauung erhalten. Das Bezirksamt hat nun die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen, über den am Ende die BVV entscheiden muss.
Im vergangenen Jahr hatte die Charité das Ergebnis ihres „Wettbewerblichen Dialogs zur städtebaulichen Gesamtentwicklung des Campus Benjamin Franklin“ vorgestellt. Dialog bedeutet, dass wesentliche Entscheidungsträger wie die Bau- und Gesundheitsverwaltung, das Landesdenkmalamt, das Bezirksamt und externe Fachberater sich für einen der insgesamt fünf Wettbewerbsbeiträge als Leitidee entschieden haben. Das Ergebnis des Verfahrens ist eine Art Vorentscheidung. Visualisierungen der erstplatzierten Schweizer Architekten Silvia und Reto Gmür gibt es hier zu sehen.
Die „Zukunftsvision“ beinhaltet die Weiterführung des Gebäudekonzepts des bestehenden Krankenhauses. Gewünscht war eine Vergrößerung um mindestens 30 Prozent. In einer ersten Visualisierung, veröffentlicht in der Publikation „Strategie 2030“, ging man noch von einem vergleichsweise bescheiden anmutenden Anbau aus. Die Pläne beinhalteten auch Neubauten auf dem Gelände des „Mäusebunkers“ – die mit dem Denkmalstatus des Gebäudes mittlerweile Makulatur sind.
Geplant ist nun auch, das Hygieneinstitut am Hindenburgdamm 27 auf den neuen Campus umziehen zu lassen. Insgesamt wird der neue Komplex nun viel größer als noch 2021 gedacht. Die Achse zwischen dem bestehenden Klinikum wird nach den vorliegenden Entwürfen bis zum Hindenburgdamm verlängert. Die geplanten neuen Gebäude bestehen aus Untergeschossen, einem dreigeschossigen Sockel, vierstöckigen Aufbauten sowie einem Hochhaus.
Vor allem Letzteres könnte zu Widerspruch führen. Bisher ist die Pauluskirche auf der Lichterfelder Dorfaue am Hindenburgdamm der städtebauliche Fixpunkt. Ob die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, ein Krankenhaus-Hochhaus als neue landschaftliche Marke zu akzeptieren, wird sich zeigen.
Die Anwohner am Kreutzerweg sind außerdem mit einer neuen zentralen Zufahrt an ihrer Grundstücksrückseite mit der Zufahrt zur Tiefgarage konfrontiert. Nicht nur sie werden zudem den Hubschrauber deutlicher hören und sehen, wenn der Landeplatz auf dem Dach der neuen Notaufnahme platziert wurde. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Leute sich angesichts der möglichen neuen Nachbarschaft mit Schallschutzgutachten bewerfen.
Man kann das Klinikum, wie es ist, als städtebauliche Meisterleistung sehen und eine Weiterentwicklung begrüßen. Man kann aber auch die Anordnung der Gebäude als Unfall der Architekturgeschichte sehen und auch der insgesamt lockeren Lichterfelder Bebauung Rechnung tragen – in diesem Fall lohnt sich ein Blick auf die anderen Wettbewerbsideen, wie den Entwurf des auf Gesundheitsbauten spezialisierten niederländischen Büros Wiegerinck.
Ihr Masterplan ist zwar ebenfalls „an der Axialität des bestehenden Krankenhauses ausgerichtet“. Doch gegenüber dem denkmalgeschützten Altbau ordnen die Planer kleinteilige Neubauten an: „eine kleine grüne Stadt, bestehend aus separaten Gebäuden für Forschung, Pflege und Lehre, die um eine große, parkähnliche Fläche angeordnet sind. Die Klarheit unseres Entwurfs sorgt nicht allein für eine passende Parzellierung und gut funktionierende Gebäude, sondern bildet gleichzeitig eine Bühne für das monumentale Krankenhaus.“
Standpunkte anhören und abwägen, das ist nun Aufgabe der Politik. Die Bezirksverordneten stecken mit ihrem Beschluss den rechtlichen Rahmen ab. Sie entscheiden über das Maß der Bebauung und Gebäudehöhen. Der Druck ist groß, es geht um Milliardeninvestitionen. „Die Charité war mit der Bitte auf die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens an das Bezirksamt herangetreten“, teilte das Bezirksamt jüngst mit. Der Klinikkonzern hat es eilig.
Es ist möglich, dass die ehrenamtlichen Bezirkspolitiker den vorliegenden Wettbewerbsentscheid noch einmal grundsätzlich in Frage stellen. Der zuständige Stadtrat Patrick Steinhoff (CDU) sendet jedoch andere Signale. „Ein erster wichtiger Schritt für einen zukunftsfähigen Campus Benjamin Franklin ist getan“, lässt der Wirtschaftsdezernent mitteilen. Das Stadtplanungsamt werde nun „die bisher hervorragende Zusammenarbeit mit der Charité zur Planerstellung fortsetzen“. Desweiteren verweist der Stadtrat auf die Möglichkeiten im Rahmen der Bürgerbeteiligung.
Die Mitsprache von Bürgern bei der Aufstellung eines Bebauungsplans ist gesetzlich geregelt. Die Pläne werden in einer bestimmten Phase des Verfahrens im Rathaus Zehlendorf einen Monat lang öffentlich ausgelegt. In dieser Zeit ist es möglich, Wünsche, Ideen und Bedenken in Form einer Stellungnahme einzubringen. Die Anregungen müssen in die folgende Abwägung mit einbezogen werden.
Daniela von Treuenfels
Mehr Infos der Charité zum Campus Benjamin-Franklin gibt’s hier:
https://dieneue-charite.de/vision/zukunftsbausteine/campus-benjamin-franklin