Überraschend wurde die Zehlendorfer Hertha schon am Pfingstmontag Berliner Fußball-Meister. Heute gibt Oliver Kellner einen Rückblick auf die Rückrunde der 03 und einen Ausblick auf die Meisterschaftsparty am Sonntag:

Aufwärts geht es für die Zehlendorfer Hertha. Sie steigt in die Regionalliga auf. Archiv-Foto: Kerstin Kellner
Nach der Herbstmeisterschaft ging in Zehlendorf die bange Frage um: Würde man die Rückrunde ähnlich erfolgreich gestalten können wie die erste Halbserie? Zu oft schon in der Vereinsgeschichte erlebte man das Phänomen, dass sich auf eine tolle Herbstsaison eine zweite Hälfte zum Vergessen anschloss. Doch der Rückrundenstart gelang. Nach einem 4:0 gegen Hermsdorf folgte das Highlight gegen Tennis-Borussia. Beinahe 1.000 Zuschauer bildeten eine in Zehlendorf schon lange nicht mehr gesehene Kulisse – und sie bereuten ihr kommen nicht: 3:0 wurden die Veilchen geschlagen. Siege gegen TSV Rudow (2:1), Füchse Berlin (1:0), Köpenicker SC (5:0), 1.FC Wilmersdorf (2:1) und den ehemaligen Angstgener SV Empor (4:3) schlossen sich an.
Wer aber nach den sieben Siegen am Stück geglaubt hatte, die Meisterschaft und der damit verbundene Aufstieg in die NOFV-Oberliga Nord würden ein Selbstläufer, sah sich getäuscht. Nach einem 1:1 Unentschieden Tasmanias bei Tennis-Borussia im Mommsenstadion betrug der Abstand am 25. Spieltag auf den ärgsten Verfolger stattliche neun Punkte. Ein Ruhepolster? Mitnichten! Bereits am folgenden Wochenende verringerte sich der Vorsprung wieder. Die Zehlendorfer waren über ein 0:0 in Mahlsdorf nicht hinausgekommen: nur noch sieben Punkte Differenz. Es folgte am Karfreitag ein schwer erkämpfter Erfolg beim Schlussschlicht Johannisthal (3:2), bis anschließend das lang erwartete Spitzenspiel gegen den einzig verbliebenen Verfolger SV Tasmania auf dem Programm stand. Der als Vorentscheidung erhoffte Spieltag geriet zum Debakel. Mit 1:6 zog man den Kürzeren, und bereits zur Pause waren die zahlreichen, überwiegend Zehlendorf zuneigten Anhänger enttäuscht: 0:4!
Viel schwerer als die eigentliche Niederlage aber wogen die „Nachwehen“. Obwohl sich im Umfeld des Teams alle dessen bewusst waren, welch‘ Spuren so eine Demütigung hinterlassen kann und dem entsprechend vorzubeugen versuchten – verhindern konnten sie es nicht. Eine etwas „wacklige“ Mannschaft erlitt sieben Tage später den nächsten Rückschlag: 2:4 gegen den Nordberliner SC. Eine graue Maus, ein Team aus dem gesicherten Mittelfeld der Tabelle wurde somit zum nächsten Stolperstein.
Die Verunsicherung zog nun endgültig in Zehlendorf ein. Patrik Scholz rettete zwar mit einem Elfmeter in den Schlussminuten ein 1:0 beim Absteiger TuS Makkabi, doch schon gegen den Berliner SC setzte es beim 2:2 den nächsten Punktverlust. Der SV Tasmania war vor den letzten vier Spielen bis auf einen Zähler herangekommen. Beim Zehlendorfer 1:2-Rückstand gegen den Berliner SC waren die Tasmanen gar zwischenzeitlich 13 Minuten „virtueller Tabellenführer“ bis Niclas Warwel doch noch das 2:2 gelang.
Von diesem Zeitpunkt an hatte für die „kleine“ Hertha jede Partie die Bedeutung eines Endspiels, denn Punktverluste der Konkurrenz aus Neukölln galten aufgrund deren Laufs in den vergangenen Monaten beinahe als ausgeschlossen. Sparta Lichtenberg, Stern 1900 und der SC Staaken warteten hintereinander auswärts, der SC Gatow würde zum Saisonfinale am Siebenendenweg aufkreuzen. Die Experten waren sich einig: Hertha Zehlendorf hat von den beiden Titelaspiranten das eindeutig schwerere Restprogramm.
Die Stimmung war in den letzten Wochen ohnehin gekippt. Hatten sich noch bis Mitte April voreilige Gratulanten zur Meisterschaft in Zehlendorf die Klinke in die Hand gegeben, ergab eine Umfrage in der Fußball-Woche inzwischen, dass beinahe 75 Prozent den SV Tasmania im Meisterrennen favorisierten. In Zehlendorf probierten sie derzeit alles, ihre Jungs wieder auf den Weg zu bringen: Mannschaftsabende, Ansprachen, Motivationsfilmchen. Und wie Phönix aus der Asche trat in Lichtenberg wieder ein fest entschlossenes Team auf, ein würdiger Spitzenreiter voll spielerischer Klasse. Bereits zur Pause waren die Weichen gestellt (3:0), der 4:1 Erfolg am Ende ungefährdet. War das die Wende zugunsten von Hertha Zehlendorf?
Das Bezirksderby gegen Stern 1900 ist ohnehin eine Ansetzung mit besonderem Charakter, doch die diesjährigen Voraussetzungen gaben der Partie einen ganz eigenen Reiz. Bis auf die gut gefüllten Zuschauerränge spürte man die Anspannung, die sich erst wenige Minuten vor dem Ende, nach Mentes‘ entscheidendem 2:0, löste. Eine hoch konzentrierte Zehlendorfer Mannschaft übersprang diese schwierige Hürde und hatte nun die beiden Finalspiele vor Augen. Doch schon am Pfingstwochenende fiel die Entscheidung im Rennen um die Berliner Meisterschaft. Während die Zehlendorfer ihre Auswärtshürde in Staaken sicher übersprangen (6:2), stolperte der Konkurrent aus Neukölln unverhofft zu Hause: 1:2 gegen das bereits abgestiegene Schlusslicht TuS Makkabi. Unglaublich, welch sportlichen Ehrgeiz der Tabellenletzte bei diesen Temperaturen (35 Grad Celsius) am Pfingstmontag entwickelte.
Nach einer spontanen Meisterfeier im Biergarten des Klubhauses in der Onkel-Tom-Straße zu später Abendstunde soll nun am kommenden Sonntag mit den Fans der Aufstieg in die NOFV-Oberliga gefeiert werden. Anstoß gegen den SC Gatow ist um 14 Uhr im Ernst-Reuter-Stadion am Siebenendenweg. Im direkten Anschluss findet die Meisterehrung durch BFV Präsident Bernd Schulz und Bezirksbürgermeister Norbert Kopp statt. Bereits ab 13 Uhr wird DJ Fewa für Musik sorgen. Der Eintritt ist für alle frei. Essen und Trinken gibt es zu „meisterschaftswürdigen“ Preisen.