
Alexander Niessen in der BVV: „Seien Sie solidarisch, wenn Menschen sich an Sie wenden und sagen: ich wurde diskriminiert, ich habe Gewalt erfahren, ich wurde schlecht behandelt.“ | Foto: SPD-Fraktion
Alexander Niessen setzt sich ein für queere Angebote im Sport. Der Bezirksverordnete begründete in der Juli-Sitzung der BVV den Antrag seiner Partei für mehr Beteiligung und Sichtbarkeit queerer Menschen in Sportvereinen. Seinen Redebeitrag veröffentlichen wir hier gekürzt und redaktionell bearbeitet als Gastartikel.
Der Juli ist in Berlin der sogenannte Pride-Month. International wird er im Juni begangen, um auf den Widerstand im Stonewall Inn in Manhattan zu erinnern. In Berlin findet der CSD traditionell am letzten Samstag im Juli statt und man nutzt diesen Monat, um auf die Belange, aber auch auf die Probleme von queeren Menschen hinzuweisen, darüber zu sprechen und queere Menschen als Teil unseres vielfältigen Berlins und unseres vielfältigen Bezirks sichtbar zu machen. Das passiert beispielsweise durch das Hissen von Regenbogenfahnen vor öffentlichen Gebäuden, vor vielen Unternehmen, vor Einrichtungen der Zivilgesellschaft und auch vor unserem Rathaus.
Mein Arbeitgeber, der Dachverband von ‚Brot für die Welt‘ der Diakonie Deutschland, also ein evangelisches Haus, hat das schon im letzten Monat getan – unter großer Freude der Beschäftigten. Also insgesamt kann man sagen: Juni und Juli sind die Regenbogenmonate. „Und das ist“, wie ein ehemaliger regierender Bürgermeister aus Berlin mal sagte, „gut so“.
Ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, was für ekelhafte und menschenverachtende Äußerungen vonseiten des CDU-Bundeskanzlers oder auch der CDU-Bundestagspräsidentin bezüglich solcher Aktionen kamen. Ich bin ehrlich gesagt als queerer Mensch ein bisschen davon erschöpft, in was für Zeiten wir uns manchmal bewegen. Von daher würde ich jetzt noch mal auf das Thema zurückkommen und einen kleinen Blick auf unseren Bezirk werfen oder auch auf unsere Stadt: Warum sollten wir über Queerness oder auch politischen Einsatz für queere Menschen reden?
Ganz klar, weil Gewalt und Diskriminierung gegen queere Menschen immer weiter ansteigen! Menschen fürchten um ihr Leben – hier in Deutschland!
Menschen, gerade junge Menschen, werden zu Hause rausgeworfen, weil sie von ihren Familien abgelehnt werden. Das können auch unsere Nachbar*innen sein, dass können Menschen sein, mit denen wir arbeiten, das können Menschen sein, die uns in der Schule, in der Ausbildung, in der Uni oder einfach nur auf der Straße begegnen. Und deswegen ist es auch „gut so“, dass sich die Politik in Berlin dafür einsetzt, dass queere Menschen sicherer sein können. Ich persönlich bin nicht davon überzeugt, dass Polizeipräsenz im Regenbogenkiez rund um den Nollendorfplatz helfen wird und dass das eine Lösung ist. Denn immerhin haben viele queere Menschen auch Angst vor der Polizei und hätten es tatsächlich lieber, wenn sie einfach in Ruhe gelassen werden.
Aber es ist ein Anfang, dass man sich über das demokratisch-politische Spektrum hinweg damit beschäftigt. Der vorliegende Antrag ist ein Beispiel dafür, wie wir uns im Bezirk konkret damit auseinandersetzen können, was es an queeren Angeboten geben sollte. Der Antrag basiert auf einer Bitte des Runden Tisches “ Queeres Steglitz-Zehlendorf“, der sich vor einiger Zeit konstituiert hat und darüber gesprochen hat, dass es auch Unklarheiten und Mängel in Bezug auf queere Angebote im Sport gibt.
Warum ist Sport so wichtig?
Ganz viele junge Menschen machen Sport. Sport hat viel mit dem Körper zu tun, Sport kann auch intim sein, denn man ist sehr eng mit anderen Menschen zusammen. Bei Mannschaftssportarten nutzen die Teams Sammelumkleiden und gemeinsame Duschen. Das sind besondere Orte, hier trifft sich die Breite der Gesellschaft. Die allermeisten von uns sind schon mal Mitglied eines Sportvereins gewesen.
Und deswegen ist das ein Thema, das uns wirklich alle angeht. Ich möchte allen danken für die konstruktive und sinnvolle Debatte im Sportausschuss – sowohl zwischen den Mitgliedern der Fraktionen als auch den anderen Mitgliedern des Ausschusses und den Expert*innen, die wir ja hier glücklicherweise auch haben.
Als erstes müssen jetzt die Bedarfe geklärt werden, gemeinsam mit der zivilen Gesellschaft, mit den Sportvereinen, mit dem Bezirks- und auch dem Landessportbund. Ein Fachtag könnte erarbeiten, was wir hier ganz konkret in Steglitz-Zehlendorf brauchen.
Denn ich finde – und das ist auch die Meinung meiner Fraktion – dass wir nicht immer darauf gucken sollten, was es in anderen Bezirken schon gibt. Sondern wir wollen hier vor Ort gute Angebote auch für queere Menschen entsprechend ihrer Bedarfe einrichten. Denn lokale wohnortnahe Sportangebote haben eine Kiezverankerung und damit eine enge Verbindung zu dem was in ihrer direkten Nachbarschaft passiert.
Wir stärken die lokalen Netzwerke, wenn wir Ehrenamtliche und Hauptamtliche kompetent machen im Umgang mit queeren Personen. Mit Schulungen und Anlaufstellen finden die Betroffenen immer jemanden, an den sie sich wenden können, wenn sie sich schlecht behandelt fühlen, ausgegrenzt werden oder Diskriminierung erleben.
Die größte Gruppe in den Sportvereinen sind die Jugendlichen. Wir wollen sie in einer Phase erreichen und stärken, in der junge Menschen viele Fragen haben. Der Körper verändert sich und einem wird klar wer man ist – alle kennen das. Junge Menschen brauchen Netzwerke, die sie nicht ausschließen, und Sportvereine bieten dieses Umfeld. Kompetenz und Expertise stärken diese Strukturen.
Ich möchte gerne schließen mit ein paar weiteren Bitten, die unser Engagement für queere Menschen, für vielfältige Menschen in Berlin und in Steglitz-Zehlendorf ganz allgemein betreffen: Schauen Sie mal in die Nachbar*innenschaft, gehen Sie nach Brandenburg zu CSDs, unterstützen Sie die vielen, vielen Leute, die sich engagieren, über das ganze Land hinweg, teilweise in ganz kleinen CSDs, die zeigen, dass ihnen Vielfalt und gesellschaftlicher Zusammenhalt wichtig sind.
Dort müssen die Menschen unglaublich viel Angst haben vor Nazis, vor Faschisten, vor der AfD, die teilweise zur Gewalt aufrufen und gegen diese Demonstrationen vorgehen. Deshalb gehen sie dorthin, seien Sie sichtbar und helfen sie den Menschen dort mit. Seien Sie solidarisch, wenn Menschen sich an Sie wenden und sagen: ich wurde diskriminiert, ich habe Gewalt erfahren, ich wurde schlecht behandelt. Hören Sie zu und helfen Sie – und zwar so weit wie die Menschen das wollen und brauchen.
Setzen Sie sich bitte dafür ein, und das vor allem im Hinblick auf die CDU-Fraktion auf Landesebene, dass queere Projekte nicht durch die Bank weg gekürzt werden, dass weiterhin Ressourcen für diese wichtige Arbeit zur Verfügung stehen – gerade für junge Menschen.
Wir haben gerade hier in Steglitz-Zehlendorf ein neues queeres Jugendprojekt begrüßen können, das die Arbeit aufnimmt. Das ist toll, doch das funktioniert nur, wenn es finanziert wird. Da noch mehr zu kürzen, wäre für viele queere Menschen, gerade junge Menschen eine absolute Katastrophe und es würde viel Expertise verloren gehen. Helfen sie ebenfalls mit – in Ihren Parteien, Fraktionen und als politische Menschen – dass es niemals gesonderte Register für Transmenschen gibt, so wie es aktuell in der öffentlichen Debatte ist. Das hatten wir schon mal, das brauchen wir nie wieder. Und Transmenschen müssen geschützt werden – und ich sage auch ganz klar: Transfrauen sind Frauen und Transmänner sind Männer. Unser Grundgesetz gilt für alle, die Menschenwürde ist unantastbar: Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass wir auch diese Ideale jeden Tag umsetzen, nicht nur im Pride-Monat, sondern auch darüber hinaus.
Alexander Niessen
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