In unserem StraßenABC sind wir beim Buchstaben P angekommen. P wie Pacelliallee. Die Straße in Dahlem ist benannt nach Papst Pius XII. Der hieß vor seiner Weihe Eugenio Maria Giuseppe Pacelli und war vom 2. März 1939 bis 9. Oktober 1958 Papst der römisch-katholischen Kirche.

Von 1920 bis 1929 war Pacellia Nuntius für die Weimarer Republik, 1930 wurde er zum Kardinalstaatssekretär berufen und wurde für seinen Vorgänger im Amt des Papstes zum wichtigsten außenpolitischen Berater. Als solcher unterzeichnete er 1933 das Reichskonkordat mit der nationalsozialistischen Regierung Adolf Hitlers. Nach seiner Wahl zum Papst am 2. März 1939 appellierte er für Frieden, hielt aber zunächst an der Neutralität der Katholischen Kirche fest. In den folgenden Jahren wandte er sich in seinen Reden gegen die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten und lehnte deren Rassenlehre ab. Die New York Times schrieb über seine Weihnachtsansprache 1941 „Die Stimme von Pius XII. ist eine einsame Stimme im Schweigen und in der Dunkelheit, welche Europa an dieser Weihnacht umfangen. Er ist so ziemlich der einzige Regierende auf dem europäischen Kontinent, der es überhaupt wagt, seine Stimme zu erheben.“ Trotzdem ist die Rolle Pius XII in der Zeit des Nationalsozialismus‘ umstritten.

Nach Ende des Krieges erweiterte und internationalisierte Pius XII. das Heilige Kollegium, so dass es Vertreter aus allen Kontinenten umfasste. Im Laufe der 1950er Jahre ließ die Kraft des Papstes nach. Er starb am 9. Oktober 1958 im Alter von 82 Jahren an einem Schlaganfall.

Noch weit vor Pacellis Tod, bereits am 31. März 1949, wurde die damalige Cecilienstraße in Dahlem in Pacelliallee umbenannt. Den Namen Cecilienstraße hatte die Straße von Kronprinzessin Cecilie Auguste Marie erhalten, Tochter des Großherzogs Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin und Ehefrau des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, den ältesten Sohn des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II.

Vom Rittergut zum Museum

Die Pacelliallee beginnt an der Königin-Luise-Straße und führt entlang der Domäne Dahlem. Das Rittergut aus dem 14. Jahrhundert umfasste einst 542 Hektar – davon übrig sind heute 18,3 Hektar, die unter Denkmalschutz stehen. Die Domäne Dahlem, das seinen Namen aus seiner Zeit als preußisches Staatsgut hat, ist heute ein Freilandmuseum für Agrar- und Ernährungskultur. Es will den Besuchern den Weg der Lebensmittel vom Feld auf dem Teller verdeutlichen. Zudem kann man landwirtschaftlichen Demonstrationsbetrieben über die Schulter schauen und im dazugehörigen Bio-Laden feldfrische Produkte kaufen. Über das Jahr verteilt gibt es zahlreiche Veranstaltung für jung und alt. Auf der Domäne steht auch das älteste Wohnhaus Berlins, das Herrenhaus aus dem Jahre 1560, nicht ganz so alt sind die anderen historischen Gebäude auf der Anlage, wie die aus dem 19. Jahrhundert stammende Stellmacherei, das einzige noch erhaltene Kalk-Piseé-Gebäude Berlins, der Eiskeller von 1709, der 1830 errichtete Pferdestall und die Remise, die 1907 erbaut wurde.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht die rund 700 Jahre alte St. Annen-Kirche. Das älteste Gebäude Dahlems wurde zwischen 1215 und 1225 als Holzbau errichtet, um 1300 folgte der Steinbau. Der Chor- und der Gruftanbau wurden vermutlich Ende des 15. Jahrhunderts errichtet. Von 1933 bis 1945 war die Kirche ein Zentrum der Bekennenden Kirche, einer Gegenbewegung evangelischer Christen gegen die Gleichschaltung im Nationalsozialismus. In dem Gotteshaus versammelte sich nach der Verhaftung ihres Pfarrers Martin Niemöller am 1. Juli 1937 jeden Abend um 18 Uhr die Gemeinde zu Fürbittgottesdiensten für alle Gefangenen. Auch die Pfarrer Franz Hildebrandt und Helmut Gollwitzer waren in der St. Annen-Kirche tätig. Gollwitzer fand auf dem St. Annen-Kirchhof seine letzte Ruhestätte.

Der 2.00 Quadratmeter große Kirchhof besteht ebenfalls seit dem 13. Jahrhundert. Anfang des 20. Jahrhunderts, mit der Aufteilung und der Besiedlung der Domäne Dahlem, reichte dessen Kapazität nicht mehr aus. Deshalb wurde von 1908 bis 1909 in direkter Nachbarschaft der Friedhof Dahlem angelegt.

1996 wurde auf dem St. Annen-Kirchhof ein Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eingeweiht. Die dreieckige Tafel wurde vom Künstler Nikolaus Koliusis geschaffen und wird in drei Metern Höhe von drei Stäben gehalten.

Erinnerung an Martin Niemöller

Sowohl auf dem St. Annen-Kirchhof als auch auf dem Dahlemer Friedhof wurden zahlreiche bekannte Persönlichkeiten beigesetzt, darunter Studentenführer Rudi Dutschke, der Mitbegründer und Rektor der Freien Universität Edwin Redslob und Bischof Kurt Scharf.

Neben dem Kirchenareal befindet sich das ehemalige Pfarrhaus, das 1910 fertiggestellt wurde. Heute ist es das „Martin Niemöller-Haus“, das an die Dahlemer Zeit Niemöllers und seinen Widerstand gegen Hitler erinnert. Im ehemaligen Arbeitszimmer Niemöllers wurde ein Erinnerungsort eingerichtet, an dem sich Besucher anhand einer digitalen Ausstellung, Kurzfilmen, Literatur und anderen Medien über das Leben und Wirken des Pfarrers informieren können. Der Erinnerungsraum ist jeden vierten Sonntag im Monat von 10 bis 13 Uhr geöffnet.

Vor der Kirche an der Pacelliallee befindet sich ein Denkmal ganz anderer Art – ein Baum, genauer gesagt, eine Flatterulme. Die ist rund acht Meter hoch und hat einen Umfang von fast fünf Metern. Der Baum wurde 1770 – plus/minus 30 Jahre – gepflanzt.

Villen und Landhäuser mit Kultur

Entlang der Westseite der Pacelliallee stehen sechs Wohnhäuser, die als Kulturdenkmale gelten. Zwischen 1922 und 1936 errichtet „bietet die Wohnhausgruppe, Pacelliallee 39/51, in einer Mischung verschiedener, dem traditionellen Formenrepertoire zuzurechnender stilistischer Merkmale einen für die Villenkolonie Dahlem charakteristischen baugeschichtlichen Querschnitt durch die konservative Richtung der Architektur der 1920er und 1930er Jahre“, wird das Ensemble in der Denkmaldatenbank der Senatsverwaltung beschrieben. Vorbild der zweigeschossigen kubische Bauten ist Goethes Gartenhaus in Weimar. Eigenständigkeit erhalten die Häuser durch die unterschiedlichen Details bei der Fassadengestaltung, unterschiedliche Dachformen und ihren Schmuck.

Es gibt aber noch zahlreiche weitere Denkmale entlang der Pacelliallee, so die Villa Stauss (Pacelliallee 18), die 1913/14 im Auftrag des Bankdirektors Emil Georg von Stauss erbaut wurde. Die wie ein Landschlösschen anmutende Villa war von 1949 bis ’91 Residenz der amerikanischen Stadtkommandanten in Berlin, anschließend wurde es als Repräsentanz des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland genutzt, seit 2009 ist sie wieder in Privatbesitz.

Zu den wohl eindrucksvollsten Landhäusern in Dahlem gehört das Haus Cramer an der Ecke Pacellialllee/Im Dol. Das Haus wurde 1912/13 von Hermann Muthesius errichtet. Die Bruchsteinmauerwerkfassaden bestehen aus Rüdersdorfer Kalkstein, Giebel und Balkonstützen erinnern an die Zeit der Renaissance. Der Bauherr, der Kaufmann Hans Cramer, flüchtete in den 1930er Jahren vor den Nazis in die USA. Nach einer Gasexplosion in den 1950er Jahren blieb das Haus lange Zeit eine Ruine und verfiel. Der Architekturkritiker Julius Posener konnte einen geplanten Abriss verhindern. In den 1970er Jahren wurde das Landhaus wiederaufgebaut, seitdem dient es als Außenstelle der Stanford University.

Ebenfalls ein Denkmal ist das Haus Semmel (Pacelliallee 19 – 21), das 1925/1926 für den Fabrikanten Richard Semmel auf einem 10.000 Quadratmeter großen parkartigen Areal errichtet wurde. Auch Semmel floh vor den Nazis, die Villa wurde verkauft. Ab Mitte der 1950er Jahre wurde das Haus als Kranken- und Behindertenheim genutzt, heute hat dort die Republik Irak ihre Botschaft.

Die Pacelliallee endet in Schmargendorf am Platz am Wilden Eber.

(go)