Start der Unterschriftenkampagne des „Bündnisses für einen lebendigen Kranoldplatz“: Der erste Unterstützer leistete am vergangenen Samstag seine Unterschrift unter den Einwohnerantrag. | Foto: Ulrike Meyer

 

David gegen Goliath, Politprofis gegen ehrenamtliche Bürgerinitiative: Im Kampf um die Zukunft des Kranoldplatzes bringen sich die Bürger mit Einwohneranträgen in Stellung. 

Vor Kurzem hatte ein Bündnis aus sechs verschiedenen Initiativen einen ersten Aufschlag gemacht. Als neu gegründetes „Bündnis für einen lebendigen Kranoldplatz“ forderten sie in einem Schreiben an das Bezirksamt „ein integriertes Gesamtkonzept für eine klimafreundliche, umweltverträgliche und nachhaltige Umgestaltung des Kranoldplatzes“ (wir berichteten). Hierzu solle ein Planungswettbewerb ausgeschrieben werden, der bestimmte Gestaltungsvorgaben umsetzt. Beispielsweise sollen Platz und angrenzende Straßen auf ein einheitliches Niveau gebracht werden. Damit wäre neben der Barrierefreiheit eine variantenreiche Vergrößerung der Marktfläche erreichbar. 
 
Nun hat auch der CDU-Ortsverband Lichterfelde-Ost einen Einwohnerantrag auf den Weg gebracht. Die Partei wehrt sich darin gegen jede Veränderung: Der Wochenmarkt solle nicht durch bauliche Maßnahmen „in seinem Umfang, seinem Angebot und seiner Zugänglichkeit zeitweise oder dauerhaft“ beeinträchtigt werden. Nutzfläche und Befahrbarkeit seien zu erhalten. 
 
„Wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist“, sagt Claudia Hamboch, eine der Initiatorinnen des Antrags und Mitglied des Vorstands der CDU Lichterfelde Ost. Die gelernte Journalistin, ehemalige Pressesprecherin der Berliner Wirtschaftsverwaltung und heutige PR-Beraterin verantwortet die Unterschriftensammlung gemeinsam mit Barbara Saß-Viehweger und Markus Schulz. Erstere war bis 1995 20 Jahre lang Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und als Juristin Expertin für Rechts- und Innenpolitik. Schulz arbeitet als persönlicher Referent der Präsidentin des Abgeordnetenhauses Cornelia Seibeld, die ihren Wahlkreis in Lichterfelde hat. 
 
Die Lichterfelder Christdemokraten bieten ihre Führungsriege auf, um dann erstaunlich unkonkret zu bleiben. Eine Augenweide sei der Kranoldplatz zwar nicht, sagt Presse-Fachfrau Hamboch. Ohne eigene Ideen anzubieten, ist ihre Partei vor allem dagegen: Bäume und Möbel, so Hombach, würden größere Marktfahrzeuge behindern, die Stellfläche würde insgesamt kleiner. Für „plausible Vorschläge“ sei man offen. Die Frage, ob der Platz weiter als Parkfläche für Autos genutzt werden soll, möchte die Vorständin nicht beantworten. 
 
Berufspolitiker gegen Ehrenamtliche: Stephan Voß, einer der Sprecher des „Bündnisses für einen lebendigen Kranoldplatz“, ärgert sich über die Art und Weise, wie die CDU in der Causa Kranoldplatz auftritt: „Im Gegensatz zu uns hat die Partei über ihre Fraktion die Möglichkeit, in der BVV Anträge zu stellen und damit eine Diskussion in Gang zu setzen. Wir müssen erst 1000 Unterschriften sammeln, um uns ein Rederecht zu erkämpfen.“ Zweitens werde der Eindruck erweckt, die Initiative wolle den Markt verdrängen oder verkleinern. „Das Gegenteil ist der Fall“, so Voß, „wir wollen den Kranoldmarkt erhalten, nur schöner“. 
 
Die Verantwortlichen für den Bürgerantrag sind nach eigenen Angaben alle parteilos: Die Rentnerin Andrea Kuner war früher Geschäftsführerin einer Jugendhilfeeinrichtung, Walter Kaschubat leitete bis zu seiner Pensionierung stellvertretend die VHS Tempelhof-Schöneberg. Jutta Gödicke betreibt einen Spielzeugladen und gibt das viel beachtete „Ferdinandmarkt-Magazin“ heraus. In unterschiedlichen Initiativen setzen sich die Engagierten für den Erhalt und die Verbesserung ihres Kiezes ein.  
 
Zu den Anliegen aller sechs Gruppen, die sich zum „Bündnis für einen lebendigen Kranoldplatz“ zusammengetan haben, gehört neben ihren jeweiligen eigenen Hauptanliegen das Bestreben, den tristen Kranoldplatz neu zu gestalten. Diese Kooperation ist durchaus bemerkenswert und aus der Not geboren. Eine Diskussion um das Dreieck zwischen der „kleinen“ Straße Kranoldmarkt, der großen“ Straße Kranoldmarkt (später Lankwitzer Straße) und der Ferdinandstraße gibt es seit vielen Jahren. Abwehrreaktionen der Parteien gehören ebenso dazu wie immer neue Versuche, das Thema aus der Bürgerschaft heraus auf die Agenda zu setzen. Auch ein Wettbewerb um Unterstützungsunterschriften hat es schon gegeben: 2016 taten sich SPD und CDU zusammen, um in einer Art Gegenaktion der 2012 gegründeten „Bürgerinitiative Kranoldplatz“ den Wind aus den Segeln zu nehmen. 
 
Damals gingen die Parteien noch etwas subtiler vor. „Es war nicht auf den ersten Blick erkennbar, wer eigentlich hinter den Aktionen steckt“, erinnert sich Stephan Voß. Dass die CDU heute offen ihre Prominenz aufbietet, um auf diese Weise Bürgeranliegen zu begegnen, findet er „moralisch verwerflich“.  
 
Christdemokratin Hamboch sieht das naturgemäß anders. Man wolle „den Willen der Bevölkerung abbilden“ und „den Menschen eine Plattform bieten“.  
 
Auf welcher Plattform sich mehr Menschen versammeln werden, wird sich zeigen. Doch egal, wer am Ende die meisten Unterschriften gesammelt hat, einer Lösung oder auch nur einer Annäherung ist man damit keinen Schritt näher gekommen. 
 

Daniela von Treuenfels