Es gab kein Frühlingserwachen am Siebenendenweg und auch am Tag nach der Sonnenfinsternis sah man bei den Zehlendorfern in erstarrte, frustrierte und verfinsterte Gesichter, als man nach Spielschluss den Jubelkreis der Gäste zur Kenntnis nehmen musste. Hatte man noch vor Wochenfrist mit einem Last-Minute-Treffer in Brandenburg den Sieg errungen, so ereilte diesmal der heimischen Mannschaft gegen den Stadtrivalen aus Lichtenberg das gleiche Schicksal.
Es war gut anzusehen und verlieh einem auch ein beruhigendes Gefühl, wie die Herthaner in das Spiel kamen. Mit dem Schwung und der Euphorie aus der vergangenen Woche übernahmen die Zehlendorfer von Beginn an die Initiative und machten das wiedergewonnene Selbstvertrauen auf dem Platz deutlich.
Den Gästen fiel in der ersten Halbzeit auch nur wenig Konstruktives ein. Es war nur ein Reagieren auf die guten Aktionen der Heimmannschaft, als das man selbst zum Agieren kam. Obwohl die 03er das Spielgeschehen ständig unter Kontrolle hatten, dauerte es rund 20 Minuten, bis man sich auch gefährlich vor dem Tor zeigen konnte. Nach einem Konterangriff über links konnte Egzon Ismaili den in der Mitte stehenden Melih Hortum bedienen, der aber beim Torschuss zu wenig Druck hinter den Ball brachte, so dass Lichtenbergs Keeper Danny Kempter klären konnte.
Die Belohnung für das Zehlendorfer Engagement sollte aber wenig später erfolgen. In der 33 Minute brillierte Hortum als Vorlagengeber, als er mit einem gestochenen Pass Niclas Warwel bediente, der nicht lange fackelte und mit seiner linken Klebe den Ball, an dem etwas zu weit vor dem Tor stehenden Kempter vorbei, in die Maschen zimmerte. Die Führung war zu diesem Zeitpunkt mehr als verdient, schließlich hatten sich die Gäste durch ihren pomadigen und wenig inspirierten Auftritt in der ersten Halbzeit keine nennenswerte Torchance erspielt. Die wenigen Bälle, die Richtung Tor flogen, waren immer eine sichere Beute von Zehlendorfs Torhüter Selvedin Begzadic.
Ein wahres Feuerwerk brannten die Platzbesitzer zu Beginn der zweiten Halbzeit ab, die Gäste schienen zeitweise die Orientierung zu verlieren. Es waren erst zwei Minuten gespielt, als der Lichtenberger Abwehrspieler Kiminu Mayoungou auf der Linie einen Schuss von Hortum per Kopf klären musste. In dieser Drangperiode verpassten es die Herthaner den Sack zuzumachen, was sich im weiteren Verlauf noch rächen sollte.
Nach einer wahren Kartenflut zwischen der 50. und 54. Minute und als dann auch Marc Zellner in der 57. Minute an Lichtenbergs Torhüter scheiterte, machte dieser lautstark seinen Unmut über das Auftreten seiner Vorderleute Luft. Es ging tatsächlich ein spürbarer Ruck durch die Reihen der Gäste, die in der Folgezeit ihre kämpferischen Qualitäten hervorholten. Die nun kompromisslosere und energische Gangart der Gäste brachte die junge Zehlendorfer Mannschaft sichtlich aus dem Konzept. Der Ausgleich durch Christian Gawe in der 63. Minute war die logische Konsequenz. Mehrmals brachten die Hausherren den Ball nicht aus der Gefahrenzone, sodass die Gäste noch an der Torauslinie kombinieren durften. Ein zu kurz abgewehrter Ball fiel schließlich elf Meter vor dem Tor Gawe vor die Füße, der das Geschenk dankend annahm und souverän zum Ausgleich einnetzte.
Die Zehlendorfer gingen nun bis an die Grenzen der Erschöpfung, um vielleicht doch noch den ersehnten Heimdreier zu erbeuten. Für den lauffreudigen Hortum wurde in der 73. Minute Su Min Kim eingewechselt, und auch der lange verletzte Maximilian Obst musste seiner kraftraubenden Spielweise in der 80. Minute Tribut zollen. Aber auch durch die frischen Leute gelang es den Zehlendorfern nicht mehr für ernsthafte Gefahr vor dem Lichtenberger Tor zu sorgen.
Eigentlich hatten sich die 127 Zuschauer auf den Rängen schon mit einem Remis abgefunden, doch die Gäste hatten noch eine Patrone im Lauf. Es lief bereits die letzte Spielminute, als sich Sebastian Reiniger den Ball dreißig Meter vor dem Tor zum Freistoß zurechtlegen durfte. Lange war der Ball in der Luft und segelte Richtung zweiter Pfosten, der aufgerückte Mayoungou war zur Stelle und erzielte, mehr oder weniger ungehindert, per Kopfstoß den siegbringenden Treffer, was ihm gleichzeitig noch den Titel „Man of the match“ einbrachte.
Hertha 03 spielte mit: Begzadic – Mentes, Dombrowe, Lorenz, Cakmakci – Warwel, Obst (80. Aagaard), Niroumand, Ismaili – Zellner, Hortum (73. Kim)
Tore: 1:0 (33.) Warwel, 1:1 (62.) Gawe, 1:2 (90.) Mayoungou
(hain/h03)