Vom einst stolzen Spitzahorn ist nur noch ein Stumpf übrig geblieben. Die Nachbarn haben ihn gefällt. Foto: Gogol

Vom einst stolzen Spitzahorn ist nur noch ein Stumpf übrig geblieben. Die Nachbarn haben ihn gefällt. Foto: Gogol

Große Villen, grüne Gärten, ruhige Nebenstraßen – die Villenkolonie in Nikolassee ist eine ideale Wohngegend für alle, die Ruhe suchen. Doch die Idylle trügt. Unter der Oberfläche rumort es seit Jahren. Grund sind Investoren, die Grundstücke kaufen, alte Villen abreißen und Neubauten errichten wollen, die – zumindest nach Ansicht der meisten Anwohner – nicht in das Straßenbild passten. 2013 entzündete sich ein Streit um ein Neubauprojekt an der Lückhoffstraße 17. Damals griff nach Anwohnerprotesten der Stadtplanungsausschuss ein und forderte das Bezirksamt auf, eine Erhaltungssatzung für das Gebiet auf den Weg zubringen, bis dahin gilt eine Veränderungssperre. Doch die brachte nur scheinbare Ruhe in den Konflikt wie sich nun an selber Stelle zeigt.

Es war der Anruf eines Nachbarn, den Almuth G. Kröger in den Winterferien erhielt. Auf ihrem Grundstück, Lückhoffstraße 19, wurde eine Baum gefällt, genauer gesagt ein zirka 60 bis 70 Jahre alter Spitzahorn. Ohne ihr Wissen, von ihrem Nachbarn, jenes neuen Besitzers des Grundstücks Lückhoffstraße 17. Kröger rief die Polizei und erfuhr so, dass die Untere Naturschutzbehörde eine Fällgenehmigung für ihren Baum erteilt hatte. Die Eigentümerin fiel aus allen Wolken, denn erst im September hatte sie bei jener Behörde nachgefragt und erfahren, dass für die Fällung des Baumes gar keine Gründe vorlägen, da er weder krank sei noch eine gültige Baugenehmigung vorläge. Da war die Fällgenehmigung allerdings schon drei Monate alt, wie Kröger jetzt weiß.

Kröger und ihre Familie leben seit 14 Jahren in der Villa, die der Architekt Hermann Zückler 1914 für Professor Moritz Weber erbaute. Sie steht unter Denkmalschutz. Anders als das Nachbarhaus mit der Nummer 17, eine Direktorenvilla von Siemens. Das Unternehmen beschloss das Haus zu verkaufen. Nur durch Zufall habe man dann von den Plänen der neuen Nachbarn erfahren, die alte Villa abzureißen und eine modernen Neubau aus Beton und Glas für drei Familien zu errichten, der sogar in den grünen Schutzbereich hineinrage. Dagegen hatten die Nachbarn erfolgreich Unterschriften gesammelt.

Nicht retten hingegen konnte Kröger den Baum, der auf der Grenze zum Nachbargrundstück steht. Schon bald nach dem Kauf hätten die Nachbarn ihr erklärt, dass der Baum aus ihrer Sicht wegmüsse, weil er ihren Plänen für eine Tiefgarage an der Grundstücksgrenze im Weg sei. Von deren Anwalt erhielten Krögers ein Schreiben, in dem sie aufgefordert werden, die Baumwurzeln, die auf das Nachbargrundstück reichen, zu entfernen, selbst wenn dadurch die Standsicherheit des Baumes gefährdet wird. Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das den StadtrandNachrichten vorliegt: „Ausgehend hiervon behalten sich meine Mandanten ausdrücklich vor, im Zuge der geplanten Baumaßnahme, was die Wurzeln der Bäume betrifft, von ihrem Selbsthilferecht (…) Gebrauch zu machen.“ Ein Satz, der Almuth Kröger aufschrecken ließ und sie zur Unteren Naturschutzbehörde führte.

Dass diese eine Fällgenehmigung erteilt hatte, obwohl es noch keine Baugenehmigung für die Lückhoffstraße gebe, geschah „bedauerlicherweise“ durch „eine fehlerhafte Einschätzung des Verfahrensstandes durch die Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde“, antwortet die Referentin von Christa Markl-Vieto, Stadträtin für Jugend, Gesundheit, Umwelt und Tiefbau, nach Rücksprache mit dem Fachbereich auf SN-Nachfrage. Sie weist aber auch gleichzeitig daraufhin, dass in der Fällgenehmigung der Mitarbeiter des Amtes darauf verwiesen hatte, dass „eventuell nachbarschaftliche Probleme bezüglich des Ahorns – eines Grenzbaumes – privatrechtlich und nicht über das Amt gelöst werden müssen“. Die vorliegende Veränderungssperre sei dem Mitarbeiter im Naturschutzamt nicht bekannt gewesen.

Die „nachbarschaftliche Probleme bezüglich des Ahorns“ haben die Eigentümer der Lückhoffstraße 17 mit Krögers nicht geklärt, sondern sie schritten zur Tat. Krögers hätten einer Fällung auch nie zugestimmt. „Wir haben überall schriftlich festgehalten, dass wir um unsere Bäume kämpfen“, sagt Almuth G. Kröger. Vielleicht auch deshalb haben die Nachbarn die Fällung in den Ferien vorgenommen, als Krögers und viele der anderen Anwohner im Urlaub waren. Die Polizei, die sie zum Tatort Gartenzaum gerufen hatte, kam zu spät.

Dass die Investoren sich einfach Zutritt zum Grundstück verschafft haben, wird ein juristisches Nachspiel haben. Doch das tröstet Almuth Kröger nicht. „Der Baum ist weg“, sagt sie voller Bedauern, während der Streit nun eskaliere.

Gegen Veränderungen habe sie nicht, betont die Nikolasseerin: „Es ist gut, dass Berlin wächst. Aber wenn wir die paar historischen Ecken, die wir noch haben, willkürlich preisgeben, dann fällt uns das irgendwann auf die Füße.“ Von den Ämtern ist sie enttäuscht. Schon 2013 hätten Bauamt und Denkmalschutzbehörde nichts gegen die Pläne des neuen Nachbarn unternommen, nun hätte die Untere Naturschutzbehörde versagt.

Ein Trost: Weitere Fällgenehmigungen wurden bisher nicht beantragt, erklärt das Amt auf Nachfrage.

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(go)