Kraftwerk Steglitz: Entscheidungen zur Zukunft des Geländes finden derzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

 

Die Zwangsversteigerung des ehemaligen Kraftwerks Steglitz erreicht die Landespolitik. Zwei Antworten auf parlamentarische Anfragen legen Versäumnisse offen, zeigen aber auch einen überraschenden Ausweg.

Die Grünen Parlamentarierinnen Daniela Billig und Tonka Wojahn stellen an den Senat Fragen, die derzeit viele haben, die ein Interesse am Erhalt und der Weiterentwicklung des Denkmalensembles haben: Hätte es Möglichkeiten gegeben, unseriöse Bieter abzuschrecken oder auszuschließen?

Zur Erinnerung: Das knapp 1,4 Hektar große Grundstück an der Birkbuschstraße am Teltowkanal wurde am 16. Juni vor dem Amtsgericht Schöneberg zwangsversteigert. Eigentümerin des Geländes war bis zu diesem Zeitpunkt eine Projektgesellschaft aus dem Unternehmensnetzwerk des deutsch-britischen Investors Charles Smethurst. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt seit 2020 gegen den Immobilienentwickler wegen des Verdachts des Anlagebetrugs. Im selben Jahr eröffnete das Amtsgericht Bremen das Insolvenzverfahren.

Während Smethurst bei internationalen Anlegern Geld einsammelte, sorgten andere für die lokalen Strukturen. Im Falle des Kraftwerks Steglitz kamen die Akteure aus einem Netzwerk von AfD-Funktionären aus Dresden, die Stadtrand-Nachrichten berichteten.

Seit Mitte Juni gibt es neue Besitzer: eine im vergangenen Jahr gegründete Gesellschaft mit einem Kapital von 1000 Euro ersteigerte das Kraftwerk Steglitz für 141 Millionen Euro. Der aktuelle Geschäftsführer der SF Grambin Beteiligung UG, Steffen Fräbel, war laut Medienberichten in der Vergangenheit mutmaßlich an betrügerischen Immobiliendeals beteiligt. Als „williger Helfer“ einer Berliner Clan-Familie soll er betrügerische Geschäfte eingefädelt haben, wurde dafür aber wegen Prozessunfähigkeit aufgrund schwerer gesundheitlicher Probleme nie verurteilt. Die Stadtrand-Nachrichten berichteten.

Zufällig zeitgleich diskutierte der Rechtsausschuss des Bundestages im Frühsommer über eine Reform des Zwangsversteigerungsgesetzes. Notwendig ist die Novelle, weil Betrüger sich eine Besonderheit bei der Übertragung des Eigentums zunutze machen. Anders als bei herkömmlichen Immobilienverkäufen, hat der Ersteher bei einer Zwangsversteigerung mit dem Zuschlag sofort alle Rechte an der ersteigerten Immobilie. Der Kaufpreis wird in der Regel erst nach einigen Monaten fällig, so lange stehen dem neuen Besitzer Einnahmen etwa aus Vermietung und Verpachtung zu. Weil sich bundesweit Fälle häufen, in denen zwar Miete kassiert aber der Kaufpreis nicht entrichtet wurde, steht im Parlament nun das „Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz“ auf der Agenda. Die Stadtrand-Nachrichten berichteten.

Versäumnis im Verfahren

Die Abgeordneten Billig und Wojahn beziehen sich in einer parlamentarischen Anfrage auf die Recherchen der Stadtrand-Nachrichten und haken nach. Der Tenor ihrer Fragen: Was hätte besser laufen können? Welche Möglichkeit gibt es, den Verkauf an einen mutmaßlichen Betrüger zu verhindern?

Auf den ersten Blick sind die Antworten der Justizverwaltung wenig erbaulich: Das Gesetz erlaubt keinen Ausschluss von Bietern. Eine Prüfung der Liquidität ist weder vorgesehen noch möglich. Eine Prüfung bei Verdacht auf Geldwäsche ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Verwaltung zeigt aber auch auf, dass das Finanzamt Steglitz als Betreiber und Beteiligter seine Möglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. So wäre beispielsweise eine Option gewesen, der Festsetzung des Verkehrswertes von einem symbolischen Euro zu widersprechen und eine zweite Expertise zu fordern – in der Hoffnung, dann so etwas wie einen Marktwert zu haben. So hätte der erwartete und stattgefundene Ansturm von Schnäppchenjägern vielleicht vermieden werden können.

Mit einem annähernd realistischen Marktwert, mindestens etwa in der Höhe des Bodenrichtwertes (rund 6 Mio Euro) hätte das Gericht standardmäßig eine Sicherheitsleistung von 10 Prozent des Verkehrswertes gefordert. 600.000 Euro hat nicht jeder, das hätte den Kreis der Bieter eingeschränkt.

Nun war der Verkehrswert laut Gutachten im negativen Bereich, also weniger als Null. Und 10 Prozent von nix ist nix. Also gibt’s auch keine Sicherheitsleistung. Die Justizverwaltung deutet in ihrer Antwort jedoch an, dass es Möglichkeiten gegeben hätte: „Eine Sicherheitsleistung wurde bei der hier in Rede stehenden Zwangsversteigerung jedoch nicht gefordert.“

Haben wir etwas übersehen?

Nein. Auf Anfrage stellt die Pressestelle der Verwaltung klar, dass nicht nur keine Sicherheitsleistung gefordert war. Die Erhebung einer solchen im laufenden Termin wäre sogar „rechtsmissbräuchlich und unzulässig“ gewesen. Die Behörde stützt sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2012. Demnach darf niemand „auf Verdacht und letzlich aufs Geratewohl“ aus dem Verfahren gedrängt werden, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, seine Seriosität zu belegen.

Fehlendes Monitoring

Daniela Billig und Tonka Wojahn fragen auch, wie häufig in Berlin Grundstücke bei Zwangsversteigerungen zu Preisen weit über dem festgesetzten Verkehrswert ersteigert und ob solche Fälle überprüft werden. Die Antwort: Eine Statistik dazu gibt es nicht. Die Justizverwaltung kommt mittels einer „Abfrage“ zu der Aussage, „dass seit Mitte des Jahres 2022/Anfang des Jahres 2023 die Anzahl der Gebote über dem festgesetzten Verkehrswert grundsätzlich wieder deutlich zurückgegangen ist.“

Immerhin: Bei einem Betrugsverdacht, beispielsweise wenn das Gebot nicht bezahlt wird, „erfolgt eine Meldung an das Landeskriminalamt bzw. die Staatsanwaltschaft“.

Ausgang offen?

Bisher ist unklar, ob das Kraftwerk Steglitz tatsächlich in die Hände der Grambin Beteiligung UG übergeht. Mit Spannung wird erwartet, ob in diesem Herbst – der Termin wird der Öffentlichkeit nicht bekanntgegeben – die Ersteher des Geländes den Kaufpreis bezahlen.

Gerätselt wird auch darüber, wie ein Mensch mit gravierenden Krankheiten es schaffen kann, ein großes Sanierungsvorhaben zu managen. Ist „eine Person, deren Gerichtsverfahren zuvor aufgrund von Verhandlungsunfähigkeit eingestellt werden musste, geeignet, Geschäfte in Höhe von über 100 Millionen zu tätigen?“ Das fragen sich auch die beiden Grünen Abgeordneten.

Gemeint ist Steffen Fräbel, der prozessunfähige „Investor“ (Eigenwerbung) mit seiner Vergangenheit im Bitcoin-Business und mutmaßlich krummen Immobiliendeals. Sein Gesundheitszustand könnte ihm nun zum Problem werden.

Denn für die Justizverwaltung gilt die fehlende Partei- oder Prozessfähigkeit als Beschwerdegrund, wie aus der Antwort an die Abgeordneten hervorgeht. Eine Beschwerde gegen den Zuschlag können Verfahrensbeteiligte einer Zwangsversteigerung einreichen, also zum Beispiel das Finanzamt Steglitz. Ob die juristische Einschätzung der Verwaltung das Amt rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist erreicht hat und ob tatsächlich Beschwerde erhoben wurde, darf der Öffentlichkeit nicht bekanntgegeben werden.

Untätigkeit des Bezirkes

Vor vier Jahren beschloss die BVV Steglitz-Zehlendorf auf Initiative der Grünen: „Die BVV befürwortet eine kulturelle Nutzung der ehemaligen Kraftwerksbauten in der Birkbuschstraße 40-42 und ersucht das Bezirksamt, Initiativen dazu nach Möglichkeit organisatorisch zu unterstützen.“ Der Beschluss fand am Ende die Unterstützung aller demokratischen Fraktionen.

In einer weiteren Anfrage fragen die Abgeordneten Billig und Wojahn nun, was aus diesem Begehren geworden ist. Die Antwort der Bauverwaltung sortiert das Bekenntnis der Bezirksverordneten in die Kategorie Schaufensteranträge. Im Sprachgebrauch der Parlamente sind das Anträge, die zwar eine gewisse Öffentlichkeit erzeugen sollen, aber in denen die Folgenlosigkeit bereits eingepreist ist.

„Mit den ehemaligen Eigentümern hat es keinen Austausch zur kulturellen Zwischennutzung gegeben“, teilt die Senatsverwaltung unter Verweis auf die Zuarbeit des Bezirksamtes mit. Weiter heißt es: „Es wurde keine Eignungsprüfung des Standorts für Kulturnutzungen durch die zuständigen Institutionen vorgenommen.“

Mit den Berichten der Stadtrand-Nachrichten kam wieder Leben in die Bezirkspolitik. Die Zählgemeinschaft aus SPD, Grünen und FDP brachte im Juli gleich zwei Anträge in die BVV ein. Gefordert wird zum einen „eine Notsicherung gegen möglichen Vandalismus“ sowie „Maßnahmen für den Brandschutz und die Objektsicherung“. Offenbar steht dahinter der Wunsch, den Eigentümern entsprechende Auflagen zu machen. Zudem solle das Amt „keine Ausnahmen vom Denkmalschutz erteilen.“

Ein weiterer Antrag der drei Parteien sieht die Prüfung eines Bebauungsplans für das Grundstück Birkbuschstraße 41/42 vor, „der nach Möglichkeiten den Bestand und die kulturelle Nutzung“ vorsieht – allerdings, „ohne eine Wertminderung und damit verbundene Haftbarkeit des Bezirks zu riskieren.“ Ob dieses Risiko tatsächlich besteht, ist eine spannende Frage, die nun die Juristen klären müssen.

Daniela von Treuenfels

 

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