Nicht einfach, die Interessen von Fahrradfahrern, Fußgängern und Autofahrern gleichberechtigt in Einklang zu bringen. Foto: Junia Greb-Georges

 

Die bekannteste Einkaufsmeile in Steglitz soll sich verändern. Das war Konsens beim Runden Tisch Steglitz-Mitte am vergangenen Dienstag. Die Überraschungen des Abends: Die Pläne für eine Tram auf der Schloßstraße werden vorerst nicht realisiert, dafür wird im nächsten Jahr am gleichen Ort gefeiert. Und, für viele der Anwesenden eine Neuigkeit, die laut BVG keine Neuigkeit ist: Linienbusse halten nachts auf Wunsch auch außerplanmäßig.

Bei der Gesprächsrunde am 7. November diskutierten 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam mit acht Vertretern und Vertreterinnen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft in der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek unter anderem darüber, wie der Autoverkehr reduziert, mehr Platz für Fußgänger geschaffen und die Aufenthaltsqualität verbessert werden kann.

 

In der Bücherei unweit des Rathaus Steglitz wurde am vergangenen Dienstag über die Zukunft der Schloßstraße debattiert. Foto: Junia Greb-Georges

 

Die Straßenbahn kommt vorerst nicht

Um den Autoverkehr und volle Busse zu entlasten, sahen viele der Anwesenden den angedachten Bau einer Straßenbahn auf der Steglitzer Einkaufsmeile als Lösung. Hier musste Birke Preußler, Bezirks- und Zielgruppenmanagerin der BVG, bremsen. Sämtliche Pläne seien von der neuen Senatsverwaltung wieder auf den Prüfstand gestellt worden. Nach Angaben von Preußler sei an eine Tram in Steglitz nicht zu denken, solange noch über eine Verlängerung der Straßenbahn über die Leipziger Straße zum Kulturforum diskutiert werde.

Ein Straßenfest für die Schloßstraße

Etwas anderes soll es dafür im nächsten Jahr auf der Schloßstraße geben. Das verriet der Bezirksverordnete Gregor Habbel (FDP). Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) habe beschlossen, dass es 2024 ein großes Straßenfest geben soll, in dessen Planung auch die anliegenden Geschäfte eingebunden würden. Das Ziel: wieder mehr Menschen in die Einkaufsstraße zu locken, um etwas gegen das Ladensterben zu tun. Nebenbei verriet er auch seine persönliche Lieblingsanlaufstelle in der Schloßstraße. “Für mich ist der soziale Treffpunkt die Bratpfanne. Manchmal trifft man dort sogar die Kollegen der Polizei“, so Habbel.

 

Gregor Habbel, Bezirksverordneter der FDP in der BVV (links) kam mit seinem Kollegen Jonas Krone (Bündnis 90/ Die Grünen). Foto: Junia Greb-Georges

 

Busse halten auf Wunsch auch außerplanmäßig

Für überraschte Blicke und ungläubiges Gemurmel sorgte am Abend Preußler, als sie erklärte, dass es Nutzerinnen und Nutzern von Bussen bereits seit einiger Zeit nachts möglich sei, auch außerhalb der vorgesehenen Haltestellen auszusteigen. Dies müsse lediglich rechtzeitig beim Busfahrer angegeben werden. So können Laufstrecken in der Dunkelheit verkürzt und auf diese Weise die Sicherheit der Menschen erhöht werden. Aus den Reaktionen der Anwesenden beim Runden Tisch wurde deutlich, dass dies vielen bis dahin nicht bekannt war.

 

Busse halten nachts auf Wunsch auch zwischen den Stationen. Foto: Junia Greb-Georges

 

Neue Jelbi-Standorte sollen das Wildparken von E-Rollern verhindern

Auch für Manuela Myszka, Sehbehindertenbeauftragte im Allgemeinen Blinden- und Sehbehinderten-Verein (ABSV), war Sicherheit beim Umsteigen ein Thema. Selbst von einer Sehbeeinträchtigung betroffen, wünscht sie sich vor allem zwingende Abstellflächen für E-Roller. Unreguliert abgestellt seien diese, auch an Häuserwänden, eine Gefahr. Der Grund: Menschen mit Sehbeeinträchtigung orientieren sich an den Mauern von Gebäuden. Nach Angaben von Preußler liefen diesbezüglich bereits Vorbereitungen, um Jelbi-Standorte in den Seitenstraßen der Schloßstraße zu schaffen. E-Roller könnten dann nur noch dort so abgegeben werden, dass der kostenpflichtige Leihvorgang beendet würde. Jelbi ist eine Mobilitäts-App der BVG mit der registrierte Nutzer Fahrauskünfte einholen, Verkehrsmittel ausleihen und bezahlen können. Dabei werden auch die verschiedenen Sharing-Angebote, wie Roller, Fahrräder, Autos oder Scooter berücksichtigt. Rückenwind erhält Myszka von Habbel, dem verkehrspolitischen Sprecher der FDP in der BVV. Er äußert Verständnis, indem er sagt: “Es wird im Straßenverkehr langfristig eine gerechte Umverteilung geben müssen. Ich sehe ein, dass in Nebenstraßen ein bis zwei Parkplätze für Jelbi-Abstellflächen weichen müssen.“

Seniorenparkplätze für die Schloßstraße

Das Abstellen von Fortbewegungsmitteln war in der Gesprächsrunde auch in anderer Hinsicht ein Thema. Eileen Moritz, Beauftragte für Menschen mit Behinderung in Steglitz-Zehlendorf, sieht Probleme bei der Verteilung der Parkplätze. Ältere Menschen, die zum Beispiel für Arztbesuche auf ihr Auto angewiesen seien, würden keine Parkplätze finden. Die Chance, eine Genehmigung für einen Behindertenparkplatz zu erhalten, hätten Seniorinnen und Senioren nicht. Eine Lösung könnten extra ausgewiesene Seniorenparkplätze sein. Das sah zwar Nina Scholz, Mitarbeiterin des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf, ähnlich. Sie gab aber zu bedenken, dass es schwierig sei zu kontrollieren, ob die dort abgestellten PKW tatsächlich den berechtigten älteren Menschen gehörten.

Schutz durch freie Sicht

Gefahren zu verhüten, steht auch für die Polizei im Hinblick auf eine Umgestaltung der Schloßstraße im Vordergrund. Jens Teppner und Melanie Rosenau, beide Präventionsbeauftragte der Polizei Berlin, betonten im Laufe der Diskussion mehrfach, dass die Einkaufsmeile gut einsehbar bleiben müsse. Dunkle Ecken solle es möglichst nicht geben, dafür müssten ausreichend Sichtachsen vorhanden bleiben. Hierbei könnten zum Beispiel Bepflanzungen, die sich einige Anwesende für den Hermann-Ehlers-Platz wünschten, hinderlich sein. Um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen, seien Angebote für Jugendgruppen und Wohnungslose erforderlich.

 

Jens Teppner und Melanie Rosenau machten deutlich, was aus Sicht der Polizei für die Schloßstraße wichtig ist. Foto: Junia Greb-Georges

 

Unzufriedenheit über Untätigkeit

Zum Ende der Veranstaltung äußerten viele der Anwesenden und Wiederholungstäter in Sachen Runder Tisch ihren Unmut darüber, dass in den letzten Jahren nur wenig von dem umgesetzt wurde, was engagierte Teilnehmer und Teilnehmerinnen bereits im Jahr 2009 vorgeschlagen hatten. Holger Höringklee, Geschäftsführer der DRK Berlin Südwest gGmbH und Moderator des Abends, begründete dies mit komplexen Umsetzungsvorgaben und regelmäßig wechselnden Zuständigkeiten.

Über den Runden Tisch Steglitz-Mitte

Bereits seit 2009 kommen in der Gesprächsrunde Bürgerinnen und Bürger sowie Verantwortliche des Bezirksamts, der Polizei und der kommunalen Parteien miteinander ins Gespräch. Gemeinsam diskutieren sie neue Ideen für Steglitz-Mitte, initiieren Projekte und besprechen, wie Probleme gelöst werden können.

 

Teilnehmer und Teilnehmerinnen diskutierten am Dienstag gemeinsam über ein neues Verkehrskonzept für die Schloßstraße. Foto: Selina Öç

 

Entstanden ist der Runde Tisch ursprünglich aus dem Bedürfnis, den Hermann-Ehlers-Platz umzugestalten. Aus diesem Grund hieß er bis vor einigen Jahren Runder Tisch Hermann-Ehlers-Platz. In der Zwischenzeit haben sich die Interessen auf weitere Gebiete ausgedehnt und die Gesprächsrunde hat sich entsprechend umbenannt.
Wann der nächste Runde Tisch Steglitz-Mitte stattfinden wird, steht derzeit noch nicht fest.

Junia Greb-Georges